07.01.2013 Aufrufe

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

d i e en t S t e H u n g e i n e S p o l i t i S c H e n ge M e i n w e S e n S 169<br />

konkreten Ziele durchaus unterschieden (Bornschier/Fiel<strong>der</strong> 1995; Cameron<br />

1992; Cowles 1995; Sandholtz/Zysman 1989). Als die Reformen anschließend<br />

Gestalt annahmen, traten die rivalisierenden Konzeptionen zur Zukunft des <strong>europäischen</strong><br />

Kapitalismus immer deutlicher hervor. Das Binnenmarktprojekt –<br />

noch 1985 das erklärte Ziel vieler – wurde zum Ausgangspunkt unvereinbarer<br />

Entwürfe.<br />

Aus neoliberaler Sicht sollte die Liberalisierung <strong>der</strong> Märkte garantieren, dass<br />

die europäische <strong>Integration</strong> ein vornehmlich wirtschaftliches Unterfangen bliebe,<br />

das von relativ abgeschotteten Eliten dominiert werden konnte. Am stärksten<br />

wurde diese Position unter <strong>der</strong> Führung Margaret Thatchers in <strong>der</strong> konservativen<br />

Partei Großbritanniens und durch das internationale Kapital vertreten.<br />

Ohne das britische Veto hätten die sozialistische französische und die christdemokratische<br />

deutsche Regierung auch in <strong>der</strong> Industriepolitik und im Telekommunikationssektor<br />

die <strong>europäischen</strong> Kompetenzen ausgeweitet (Cameron 1992;<br />

Moravcsik 1991; Sandholtz/Zysman 1989).<br />

Neben <strong>der</strong> neoliberalen Position bestand ein an<strong>der</strong>er, grundverschiedener<br />

Entwurf für das Binnenmarktprogramm. Einige Akteure sahen die EEA als<br />

Sprungbrett für die Regulierung des Kapitalismus auf europäischer Ebene.<br />

Am energischsten wurde diese Position durch Jacques Delors vertreten, den<br />

damaligen Präsidenten <strong>der</strong> Europäischen Kommission. Delors und seine Verbündeten<br />

wollten nicht abwarten, bis die beabsichtigten und unbeabsichtigten<br />

Nebenfolgen <strong>der</strong> Marktintegration, wie von <strong>der</strong> neofunktionalistischen Theorie<br />

unterstellt, durch diverse spillovers die Präferenzen von Regierungen än<strong>der</strong>n würden<br />

(Burley-Slaughter/Mattli 1993; George 1996 [1985]; Haas 1958; Schmitter<br />

1969). Stattdessen begriffen sie den Binnenmarkt als Gelegenheit, strategische<br />

spillovers anzustoßen. Ziel ihrer Bemühungen war ein auf europäischer Ebene<br />

politisch eingebetteter Markt (espace organisé), <strong>der</strong> den Kapitalismus in Übereinstimmung<br />

mit <strong>der</strong> sozialdemokratischen und christdemokratischen Tradition in<br />

Europa regulieren sollte. 4<br />

Kurz, das Binnenmarktprogramm war nicht das Ende, son<strong>der</strong>n erst <strong>der</strong> Anfang<br />

einer Debatte über die institutionelle Gestaltung Europas. Das Erfolgsgeheimnis<br />

des Binnenmarktprojekts lag in seiner Vieldeutigkeit – die Tatsache,<br />

4 <strong>Die</strong> verwendete Sprache erinnert an zwei französische Initiativen <strong>der</strong> frühen Achtzigerjahre. So<br />

schlug die sozialistische französische Regierung 1981 die Schaffung von »un espace social européen«<br />

vor. Gemeint war damit ein Programm fiskalischer Impulse, mit dem die Arbeitslosigkeit<br />

bekämpft werden sollte. Zwei Jahre später folgte <strong>der</strong> Vorschlag, »un espace industriel européen«<br />

herzustellen, dessen Ziel es war, die technologische Entwicklung <strong>der</strong> Industrie zu för<strong>der</strong>n (Moravcsik<br />

1991). Beide Initiativen waren kurzfristige Versuche <strong>der</strong> französischen Regierung, den<br />

traditionellen Keynesianismus auf die europäische Ebene zu transferieren. Im Gegensatz dazu<br />

waren Delors’ Ideen zum »espace organisé« besser mit dem vorherrschenden Paradigma des<br />

Wettbewerbs kompatibel. Zum Verhältnis von Staat und Gesellschaft siehe Delors (1992).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!