07.01.2013 Aufrufe

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

n a t i o n a l e So z i a l S t a a t e n i n d e r eu r o p ä i S c H e n un i o n 351<br />

3.2 Der parafiskalische Bypass über den Beitragsstaat<br />

Semi-Souveränität in <strong>der</strong> Steuerpolitik war die historische Ausgangslage in <strong>der</strong><br />

Mehrzahl <strong>der</strong> Bundesstaaten. <strong>Die</strong> Steuerkompetenzen des Bundes wurden hier<br />

wesentlich erst in Kriegszeiten und im Kriegsgefolge erheblich ausgeweitet. <strong>Die</strong><br />

<strong>europäischen</strong> Bundesstaaten fanden zudem Wege, um mit steuerlichen Engpässen<br />

und den damit verbundenen vertikalen und horizontalen Konflikten zurechtzukommen.<br />

Mit dem parafiskalischen Bypass, also dem Aufbau autonomer<br />

Sozialversicherungen und <strong>der</strong> Beitragsfinanzierung von Sozialleistungen wurden<br />

politische Konflikte zwischen Gebietskörperschaften über Finanzierungsfragen<br />

insofern entschärft, als die Kosten sozialer Sicherung Dritten, nämlich den Arbeitgebern<br />

und Arbeitnehmern, aufgebürdet wurden (Manow 2005).<br />

Der Weg über die Parafiski ist allerdings heute in <strong>der</strong> EU ebenso wenig beschreitbar<br />

wie die umfassende Finanzierung sozialpolitischer Aktivitäten staatlicher<br />

und privater Akteure durch EU-Finanzzuwendungen. Obwohl <strong>der</strong> Korporatismus<br />

in <strong>der</strong> jüngsten Vergangenheit auf EU-Ebene an Bedeutung gewonnen<br />

hat (Falkner 1998), blockiert vor allem die Vielfalt <strong>der</strong> unterschiedlichen Wohlfahrtsregime<br />

den parafiskalischen Pfad. Der Weg über die Parafiski bedeutet<br />

nämlich fast zwangsläufig die Übernahme des Bismarck’schen Modells sozialer<br />

Sicherung, was für viele Län<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Wohlfahrtsregimen – und die in sie<br />

eingelagerten Interessen – wenig attraktiv ist. Da zudem das beitragsfinanzierte<br />

System für die <strong>der</strong>zeitige schwierige Beschäftigungssituation in vielen kontinental<strong>europäischen</strong><br />

Staaten mitverantwortlich gemacht wird, würden möglicherweise<br />

nicht einmal die Län<strong>der</strong>, die schon in <strong>der</strong> Bismarck-Tradition stehen, eine<br />

solche Entwicklung begrüßen. 10<br />

3.3 Der regulative Bypass zulasten Dritter<br />

Für die EU bleibt vor allem die regulative Bypass­Strategie übrig, die Giandomenico<br />

Majone (1994, 1997, 2005) in Anlehnung an die USA stets betont hat und die<br />

auch in <strong>der</strong> Schweiz und in Australien zum Einsatz gekommen ist.<br />

Gerade die schweizerische Erfahrung weist einige Parallelen zur Situation im<br />

heutigen Europa auf. Nach <strong>der</strong> Revision <strong>der</strong> Schweizer Bundesverfassung 1874<br />

war <strong>der</strong> Arbeitnehmerschutz die einzige sozialpolitische Kompetenz des Bundes.<br />

Obwohl <strong>der</strong> Arbeitnehmerschutz als Politikfeld bereits von einigen frühindustriell<br />

geprägten Kantonen vorab besetzt worden war, wurde 1877 ein nationales<br />

Fabrikgesetz erlassen, welches die Arbeitsbedingungen in den Fabri ken<br />

regelte und die Schweiz zu einem <strong>europäischen</strong> Vorreiter im Arbeitnehmer-<br />

10 Selbst wenn man also einen <strong>europäischen</strong> Trend in Richtung des Bismarck’schen Typus feststellen<br />

kann, würde das an dieser Schwelle nicht weiterhelfen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!