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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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338 S t e p H a n le i b f r i e d u n d He r b e r t ob i n g e r<br />

verbundenen Kapitalzuflusses werden die Regierungen dieser Län<strong>der</strong> viel eher<br />

auf die »anonyme Sozialpolitik des Marktmechanismus« (Rosenberg 1976) denn<br />

auf eine europäische »Politik gegen Märkte« (Esping-An<strong>der</strong>sen 1985) setzen, die<br />

diesen Standortvorteil wohl vermin<strong>der</strong>n würde. Umgekehrt besteht bei den Unionsbürgern<br />

in den reichen Mitgliedstaaten eine erhebliche Skepsis gegenüber<br />

sozialpolitischen Harmonisierungs- und Zentralisierungsbestrebungen (Mau<br />

2003). Dabei spielt nicht nur die Furcht vor einem Sozialdumping eine Rolle.<br />

Eine Verankerung von Umverteilungspolitik auf europäischer Ebene stößt auch<br />

deshalb auf Hin<strong>der</strong>nisse, weil die Wohlhabenden in den reichen Mitgliedstaaten<br />

aus purem Eigeninteresse eine europäische Umverteilungspolitik ebenso<br />

bekämpfen werden wie die Bedürftigen, die kein Interesse daran haben, die zu<br />

Umverteilungszwecken bereitgestellten Ressourcen mit ihren Schicksalsgenossen<br />

in ärmeren Mitgliedslän<strong>der</strong>n zu teilen (Beramendi 2007: 808). <strong>Die</strong> Folge<br />

ist eine nationale Anti-Harmonisierungskoalition zwischen unterschiedlichen<br />

Gruppen von Einkommensbeziehern, die über ihre Sanktionsmacht an den<br />

Wahlurnen auch die politischen Eliten auf diese Linie verpflichten.<br />

Eine sozialpolitische Harmonisierung setzt ferner ein günstiges window of<br />

opportunity bei den politischen Mehrheitsverhältnissen in den Mitgliedstaaten<br />

voraus. Wesentliche Akzentsetzungen in <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong> Sozial- und Beschäftigungspolitik<br />

verdankten sich in den Neunzigerjahren nicht zuletzt einer Vorherrschaft<br />

linker Regierungen in den Mitgliedstaaten (Manow et al. 2004). <strong>Die</strong>ser<br />

Befund macht deutlich, dass das Projekt einer neuen »Großen Transformation«<br />

(Polanyi 1944) auf europäischer Ebene politisch höchst umstritten ist, wobei die<br />

Fronten weitgehend deckungsgleich mit jenen verlaufen, die aus <strong>der</strong> Konsolidierungs-<br />

und Expansionsphase des nationalen Sozialstaates bekannt sind (vgl.<br />

Hooghe/Marks in diesem Band). Nimmt man an, dass <strong>der</strong> Konflikt zwischen<br />

den liberalen Befürwortern eines freien Marktes und denen eines »embedded<br />

liberalism« (Ruggie 1982) durch die Verteilung <strong>der</strong> Machtressourcen entschieden<br />

wird, dann stehen die Chancen für Letztere insofern schlecht, als Pro-Sozialpolitikmehrheiten<br />

in einer durch die Osterweiterung noch stärker fragmentierten<br />

politischen Landschaft heute weit schwieriger zu organisieren sind.<br />

Erschwert wird die positive <strong>Integration</strong> schließlich in hohem Maße durch<br />

die fiskalische Impotenz <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong> Ebene. <strong>Die</strong> Sozialpolitik absorbiert<br />

heute in den Nationalstaaten mehr als die Hälfte aller öffentlichen Ausgaben.<br />

Unklar bleibt, wie <strong>der</strong>artige Mittel europäisch aufgebracht werden sollen beziehungsweise<br />

wie die Kosten eines <strong>europäischen</strong> Wohlfahrtsstaates zwischen<br />

den Mitgliedstaaten zu verteilen sind. <strong>Die</strong> Steuerpolitik gehört nach wie vor zu<br />

den Politikfel<strong>der</strong>n mit dem geringsten Europäisierungsgrad, nicht zuletzt auch<br />

deshalb, weil sie zu den Staatstätigkeitsbereichen mit <strong>der</strong> höchsten Konfliktintensität<br />

gehört. Zwar fließt ein Großteil des EU-Haushalts in (re-)distributive

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