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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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336 S t e p H a n le i b f r i e d u n d He r b e r t ob i n g e r<br />

nach Brüssel gelangen müsste. Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> sozialpolitischen Geschichte<br />

<strong>der</strong> westlichen Fö<strong>der</strong>alismen wird dann (in Teil 3) gefragt, welches Muster<br />

<strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alisierung für den <strong>europäischen</strong> Mehrebenenfall gegebenenfalls am<br />

wahrscheinlichsten ist. Wo sind welche Durchbrüche in Europa möglich, und<br />

wo nicht? Abschließend werden diese potenziellen Zukünfte einer <strong>europäischen</strong><br />

sozialen Dimension typisierend zusammengefasst und in ihrer Bedeutung vergleichend<br />

bewertet (Teil 4).<br />

1 Das Dilemma europäischer Sozialpolitik<br />

Der Wohlfahrtsstaat ist ein Kind des Nationalstaates und <strong>der</strong> industriellen Revolution<br />

(Flora 1986: 27). <strong>Die</strong> Bewältigung kollektiver sozialer Risiken war somit<br />

von Anfang an untrennbar an den Nationalstaat gekoppelt, sodass umverteilende<br />

Politik vorrangig innerhalb einer territorial abgegrenzten Solidargemeinschaft<br />

erfolgte. Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> Römischen Verträge<br />

1957 war die im späten 19. Jahrhun<strong>der</strong>t einsetzende Landnahme <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />

durch den Nationalstaat weitgehend abgeschlossen. Im nun einsetzenden<br />

Goldenen Zeitalter des Wohlfahrtsstaates erfolgte angesichts außergewöhnlicher<br />

wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine noch nie da gewesene Expansion<br />

des Wohlfahrtsstaates (Alber 1982), die ihn aus Sicht <strong>der</strong> politischen Eliten<br />

nun endgültig zu einer zentralen Quelle von Outputlegitimität (Scharpf 1999)<br />

beziehungsweise »credit claiming« (Pierson 1994) machte.<br />

In dieser Situation war eine Verlagerung sozialstaatlicher Kernkompetenzen<br />

weg vom Nationalstaat politisch chancenlos, obwohl eine solche in den Grün<strong>der</strong>jahren<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaft Gegenstand von schweren politischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

zwischen Frankreich und den fünf an<strong>der</strong>en Gründungsmitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

EG gewesen war. Dabei standen gerade zu diesem Zeitpunkt aus struktureller<br />

Sicht die Vorzeichen für eine sozialpolitische Harmonisierung beson<strong>der</strong>s günstig:<br />

<strong>Die</strong> Gründungsstaaten <strong>der</strong> EG bildeten nicht nur in sozioökonomischer<br />

Hinsicht eine relativ homogene Gruppe, son<strong>der</strong>n sie wiesen zudem ähnliche,<br />

in <strong>der</strong> Bismarck’schen Tradition stehende Sozialstaatsausprägungen auf. <strong>Die</strong><br />

jedoch in den Römischen Verträgen zunächst gewählte Lösung einer forcierten<br />

Marktintegration bei fortbestehen<strong>der</strong> nationalstaatlicher Zuständigkeit in<br />

<strong>der</strong> Sozialpolitik erschien angesichts des rapiden Wirtschaftsaufschwungs, <strong>der</strong><br />

die Sozialpolitik zu einem billigen und darüber hinaus legitimitätsspendenden<br />

Nebenprodukt machte, anfangs für die Mehrheit <strong>der</strong> Mitgliedstaaten unproblematisch.<br />

Italien wurde mit <strong>der</strong> vierten Freiheit, <strong>der</strong> »Freizügigkeit«, abgefunden,<br />

während Frankreich, das als einziges Land auf eine ausdrückliche europäische

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