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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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n a t i o n a l e So z i a l S t a a t e n i n d e r eu r o p ä i S c H e n un i o n 337<br />

Sozialpolitik gedrängt hatte, mit einigen Vertragseinschüben (zum Beispiel Geschlechtergleichheit),<br />

<strong>der</strong> Vertagung des Gesamtthemas durch Befassung einer<br />

Expertenkommission (mit dann ablehnendem Votum) und mit <strong>der</strong> Agrarpolitik<br />

entschädigt wurde.<br />

Mit je<strong>der</strong> Erweiterungsrunde wurde allerdings die politische, wirtschaftliche<br />

und sozialstaatliche Heterogenität in Europa immer größer (Leibfried/Pierson<br />

1998; Scharpf 2002; Heidenreich 2003; Alber 2006; Einleitung in diesem Band:<br />

Tab. 1). Damit nahmen die Interessengegensätze zwischen reichen und ärmeren<br />

Mitgliedslän<strong>der</strong>n zu, was die Chancen für eine umverteilende Sozial- und<br />

Steuerpolitik stark verringerte (Beramendi 2007: 805–810). Zwar kam es in den<br />

letzten zwanzig Jahren auf europäischer Ebene zu einer bemerkenswerten Ausweitung<br />

sozialpolitischer Kompetenzen, nicht zuletzt, weil man die wachsende<br />

Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher und sozialer <strong>Integration</strong> spürte, aber die<br />

Ausschöpfung dieser Kompetenzen ist trotz Ausdehnung <strong>der</strong> (qualifizierten)<br />

Mehrheitsregel in einigen Fel<strong>der</strong>n (vgl. Leibfried 2005: 250ff.) in sozialpolitischen<br />

Kernbereichen (zum Beispiel sozialer Sicherheit) im Ministerrat nach wie<br />

vor an das Einstimmigkeitsprinzip geknüpft. <strong>Die</strong> für eine Zentralisierung und<br />

Harmonisierung <strong>der</strong> Sozialpolitik hier erfor<strong>der</strong>lichen hohen Konsensschwellen<br />

sind angesichts <strong>der</strong> enormen Interessenheterogenität praktisch unerreichbar. 1<br />

<strong>Die</strong> Gründe hierfür liegen auf <strong>der</strong> Hand und wurden von Scharpf (1997:<br />

81–83) spieltheoretisch illustriert. Eine Harmonisierung setzt eine Einigung unter<br />

den Mitgliedstaaten in Bezug auf das Niveau <strong>der</strong> Sozialstandards und auf<br />

ein bestimmtes wohlfahrtsstaatliches Regime voraus, welches als Fluchtpunkt<br />

supranationaler Sozialpolitik dient. 2 Angesichts des momentanen Gefälles <strong>der</strong><br />

nationalen Sozialstandards sowie <strong>der</strong> Vielfalt wohlfahrtsstaatlicher Arrangements<br />

auf nationalstaatlicher Ebene (Esping-An<strong>der</strong>sen 1990, 1999) mit ihren<br />

unterschiedlichen Leistungen, Leistungsarten und Finanzierungsmodi erscheint<br />

ein solches Unterfangen insofern aussichtslos, als die in den nationalen Sozialstaatsstrukturen<br />

eingelagerten beziehungsweise sie ummantelnden Interessen<br />

auf Ebene <strong>der</strong> Mitgliedstaaten stark auseinan<strong>der</strong>klaffen (Scharpf 2002). Das<br />

niedrige Lohn- und Sozialleistungsniveau <strong>der</strong> neuen Mitgliedstaaten in Südosteuropa<br />

korrespondiert in arbeitsintensiven Sektoren mit Standortvorteilen,<br />

die für Unternehmen aus den alten Mitgliedstaaten attraktiv sind und in einem<br />

freien Markt auch genutzt werden können. Vor dem Hintergrund des damit<br />

1 Für einen ersten Einstieg in und Überblick über die Thematik siehe das Lehrbuch von Althammer/Lampert<br />

(2007: Kap. 16, 465–485).<br />

2 Zu Zeiten <strong>der</strong> EG-12 wurde allerdings auch das Modell eines »Dreizehnten Staates« entwickelt,<br />

also die Idee einer zusätzlich zu den nationalen Wohlfahrtsstaaten frei anwählbaren EU-<br />

Sozialstaatsebene. Hier war die Idee, eine Art »race to the top« zu veranstalten, bei <strong>der</strong> die EU<br />

beispielgebend vorangehen sollte.

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