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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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28 M a r t i n Hö p n e r u n d ar M i n Sc H ä f e r<br />

läufig nur eine liberale sein und werde <strong>der</strong> Gestaltungskraft von Politik und<br />

Verbänden, vor allem <strong>der</strong> Gewerkschaften, enge Grenzen setzen (Hayek 1948:<br />

258–261). Ähnlich argumentierte Olson (1982: Kapitel 5) in seiner Schrift zum<br />

Aufstieg und Nie<strong>der</strong>gang von Nationen. Territoriale <strong>Integration</strong> entziehe Son<strong>der</strong>interessengruppen<br />

die Grundlage ihres Lobbyings und begünstige deshalb<br />

die Entstehung schwach regulierter, freier Märkte.<br />

Viertens: Regimewettbewerb in <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

In einem Gedankenexperiment fragt Scharpf (2002: 645–646), welche Entwicklung<br />

die <strong>Integration</strong> genommen hätte, wenn sich <strong>der</strong> französische Premierminister<br />

Guy Mollet in den Verhandlungen zu den Römischen Verträgen mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />

nach einer Harmonisierung <strong>der</strong> Sozialvorschriften und <strong>der</strong> Besteuerung<br />

durchgesetzt hätte. <strong>Die</strong> sechs Gründungsstaaten – Belgien, Deutschland, Frankreich,<br />

Italien, die Nie<strong>der</strong>lande und Luxemburg – glichen sich in ihren Institutionen<br />

und Ausgabenprofilen Ende <strong>der</strong> Fünfzigerjahre genug, um dieses Projekt<br />

nicht von vorneherein aussichtslos erscheinen zu lassen (siehe auch Leibfried/<br />

Obinger in diesem Band). In allen Län<strong>der</strong>n setzten sich zu dieser Zeit christdemokratische<br />

Parteien 23 für einen »sozialen Kapitalismus« ein (Kersbergen<br />

1995); beim Ausbau des Sozialstaates folgten sie dem Bismarck’schen Sozialversicherungsmodell;<br />

und zudem hatten alle Gründungsstaaten eine »gemischte«<br />

Wirtschaftsordnung, in <strong>der</strong> sich nicht nur Schlüsselindustrien in Staatseigentum<br />

befanden, son<strong>der</strong>n auch eine Investitionslenkung durch den Staat o<strong>der</strong> parastaatliche<br />

Institutionen stattfand (Shonfield 1965). Kurz, eine sozialpolitische<br />

Harmonisierung wäre im Europa <strong>der</strong> Sechs schwierig, aber nicht unmöglich<br />

gewesen, weil es im Vergleich zu heute eine <strong>Integration</strong> unter Gleichen gewesen<br />

wäre (Argumentationsschritt 1). Hätte sie stattgefunden, so resümiert Scharpf,<br />

wäre we<strong>der</strong> die Entkoppelung von Marktschaffung und sozialer Sicherung noch<br />

die Entpolitisierung <strong>der</strong> <strong>Integration</strong> möglich gewesen. In einem Europa mit inzwischen<br />

27 Mitgliedstaaten besteht keine Aussicht mehr, sich auf mehr als minimale<br />

soziale Standards zu einigen (vgl. Keune in diesem Band). Je heterogener<br />

die Mitgliedstaaten, desto unwahrscheinlicher sind einheitliche Standards und<br />

desto ausgeprägter unter <strong>der</strong> Bedingung freier Bewegungsmöglichkeit <strong>der</strong> Wirtschaftsfaktoren<br />

die Standortkonkurrenz. In unserem vierten Schritt betonen<br />

wir daher, dass die europäische <strong>Integration</strong> mit fortschreiten<strong>der</strong> Liberalisierung<br />

auch den Regimewettbewerb intensiviert.<br />

23 Mit <strong>der</strong> Ausnahme Frankreichs dominierten bis Ende <strong>der</strong> Sechzigerjahre in allen sechs Gründungsstaaten<br />

christdemokratische Parteien die Regierungen (siehe Manow/Schäfer/Zorn 2006).

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