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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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136 M a r t i n Hö p n e r u n d ar M i n Sc H ä f e r<br />

Ein an<strong>der</strong>es Merkmal <strong>der</strong> zweiten Phase besteht darin, dass die <strong>europäischen</strong><br />

Akteure dem Vertiefungsprozess nicht mehr passiv gegenüberstanden, son<strong>der</strong>n<br />

nunmehr in dessen Zentrum rückten. Ihre rechtlichen und politischen Möglichkeiten<br />

geschickt nutzend, wurden sie zu Triebkräften <strong>der</strong> <strong>Integration</strong>. Freilich<br />

war ihr Handlungsspielraum ungleich über Politikfel<strong>der</strong> verteilt. <strong>Die</strong> Asymme trie<br />

zwischen »negativer« (marktschaffen<strong>der</strong>) und »positiver« (marktkorrigieren<strong>der</strong>)<br />

<strong>Integration</strong> prägte den <strong>Integration</strong>sprozess (Scharpf 1996; Scharpf in diesem<br />

Band). Gleichwohl blieb auch die zweite Phase im Prinzip mit <strong>der</strong> Fort existenz<br />

unterschiedlicher europäischer Produktions- und Verteilungsregime vereinbar.<br />

Zwar wurden die Institutionen <strong>der</strong> nationalen Kapitalismusmodelle einem verstärkten<br />

Wettbewerb ausgesetzt. Soweit sie aber unterschiedliche komparative<br />

Wettbewerbsvorteile hervorbrachten und deshalb im Wettbewerb bestehen<br />

konnten, 2 wurde kein systematischer Transformationsdruck erzeugt. Nicht auszuschließen<br />

ist sogar, dass freier Wettbewerb auf dem Binnenmarkt die Fokussierung<br />

nationaler Volkswirtschaften auf ihre jeweiligen komparativen Vorteile<br />

zusätzlich verstärkt – und die Institutionen, auf denen sie beruhen, damit stabilisiert.<br />

<strong>Die</strong>ser Sicht zufolge ziehen hoch regulierte Produktions- und Verteilungsregime<br />

bei zunehmen<strong>der</strong> Marktöffnung gezielt Unternehmen an, <strong>der</strong>en<br />

Produktionsstrategien auf langfristiger Koordination aller Produktionsfaktoren<br />

beruhen. Hall und Soskice (2001: 57) bezeichnen diesen Effekt als das Streben<br />

<strong>der</strong> Marktteilnehmer nach »institutioneller Arbitrage«. Kurz, nationale Spielarten<br />

des Kapitalismus mussten sich in <strong>der</strong> zweiten Phase in einem verstärkten Wettbewerb<br />

behaupten. <strong>Die</strong> ricardianische Logik komparativer Vorteile 3 entschied –<br />

was die von <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong> <strong>Integration</strong> ausgehenden Einflüsse betrifft – über<br />

Stabilität und Wandel nationaler Kapitalismusmodelle. 4<br />

Eben diese Logik greift gegenwärtig nicht mehr. Nach <strong>der</strong> weitgehenden<br />

Vollendung des <strong>europäischen</strong> Gütermarktes ist die europäische <strong>Integration</strong> in<br />

den späten Neunzigerjahren in eine dritte Phase eingetreten, in <strong>der</strong> europäisch<br />

induzierter Liberalisierungsdruck direkt auf die Institutionen <strong>der</strong> organisierten<br />

2 Vergleiche ausführlich Hall und Soskice (2001: 36–44). Grundlegend zu den institutionellen<br />

Voraussetzungen <strong>der</strong> »diversifizierten Qualitätsproduktion« deutscher Spielart: Streeck (1991).<br />

3 <strong>Die</strong> ökonomische Theorie komparativer Kostenvorteile geht auf David Ricardo (1772 bis 1832)<br />

zurück. Demnach vergrößert freier Außenhandel den Wohlstand <strong>der</strong> beteiligten Volkswirtschaften,<br />

weil er <strong>der</strong>en Fokussierung auf ihre jeweiligen Stärken ermöglicht (und zwar selbst dann,<br />

wenn einzelne Volkswirtschaften Kostennachteile bei allen gehandelten Gütern aufweisen). <strong>Die</strong><br />

Spielarten-des-Kapitalismus-Diskussion beschäftigt sich unter an<strong>der</strong>em mit <strong>der</strong> Frage, ob und<br />

inwiefern unterschiedliche institutionelle Konfigurationen nationaler Volkswirtschaften (vor allem<br />

in den Bereichen Arbeitsbeziehungen, Unternehmenskontrolle, Aus- und Weiterbildung)<br />

Wettbewerbsvorteile hervorbringen.<br />

4 <strong>Die</strong>se Aussage bezieht sich ausschließlich auf europäisch induzierten Transformationsdruck.<br />

Neben diesem existieren selbstverständlich zahlreiche Faktoren auf nationaler Ebene, die ebenfalls<br />

über Stabilität und Wandel von Produktions- und Verteilungsregimen entscheiden.

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