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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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344 S t e p H a n le i b f r i e d u n d He r b e r t ob i n g e r<br />

2.2 Endogen-nationalstaatliche Gründe für sozialstaatliche Instabilitäten<br />

mit europäischem Spin<br />

Wir wenden uns nun einigen endogenen Faktoren zu, die eine Europäisierung<br />

sozialer Sicherung aus den Mitgliedstaaten heraus anstoßen könnten. <strong>Die</strong>se inneren<br />

Triebkräfte werden meist – ebenso wie seit Langem schon bei <strong>der</strong> Diskussion<br />

um die Krise des Sozialstaates – von äußeren Faktoren verdeckt. Als<br />

»Sündenböcke« sind die äußeren Impulse allerdings auch weit politikgeeigneter.<br />

1. Bändigung <strong>der</strong> Folgen des demografischen Wandels. <strong>Die</strong> Ergrauung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

geht Hand in Hand mit <strong>der</strong> kontinuierlichen Alterung <strong>der</strong> Wählerschaft: Dadurch<br />

wächst einerseits <strong>der</strong> Druck auf die Sicherungssysteme, an<strong>der</strong>erseits wird das<br />

politische System immer reaktions- und steuerungsunfähiger. Für die nationalen<br />

Regierungen könnte es daher Gründe geben, sich – analog zur Währungsunion<br />

– auf die Suche nach einem Befreiungsschlag »von oben« zu machen. <strong>Die</strong>ser<br />

»coup [d’état] sociale« wäre bei <strong>der</strong> Rentenversicherung technisch vergleichsweise<br />

einfach zu bewerkstelligen, weil <strong>der</strong> Befreiungsschlag an den Rentenformeln<br />

ansetzen kann und diese nur wenige Stellschrauben besitzen. Beispielsweise ließe<br />

sich eine »einhegende« europäische Rentenformel denken, die den Mitgliedstaaten<br />

Mindest- und Höchstleistungskorridore vorgibt beziehungsweise bestimmte<br />

Finanzierungsmischungen (Beiträge versus Steuern; Umlage versus Kapitaldeckung)<br />

vorschreibt. Hier könnte die EU rein regulativ tätig werden.<br />

2. Wohlfahrt im Übermaß. Das übermäßige Wachstum des Sozialstaates seit den<br />

Sechzigerjahren mag darauf zurückzuführen sein, dass nach dem großen ersten<br />

Universalisierungsschub <strong>der</strong> Fünfzigerjahre keine Schranken gegen das weitere<br />

Anwachsen des Sozialstaates vorhanden waren. Bis zur ersten Ölkrise war das, so<br />

meinen manche, ein abschüssiges Gelände, ein Terrain ohne Stop-Zonen, eine<br />

slippery slope. Seither dominiert vielerorts eine »einnahmenorientierte Ausgabenpolitik«<br />

kombiniert mit einigen Leistungskürzungen und teilweisem Ausbau, vor<br />

allem in <strong>der</strong> Familien- und Pflegepolitik (siehe Starke 2007). Insgesamt sind jedoch<br />

die Sozialausgaben fast überall weiter angestiegen. Auch in Bezug auf eine<br />

Drosselung des Sozialstaates könnte <strong>der</strong> Ruf nach einem <strong>europäischen</strong> Befreiungsschlag<br />

laut werden. Allerdings fügt sich dieses wuchernde Wachstum technisch,<br />

an<strong>der</strong>s als bei den Renten, keiner einfachen bändigenden Formel, sodass<br />

es europäisch schwerer in den Griff zu bekommen sein wird. Wahrscheinlicher<br />

ist es, dass die Befürworter dieser Option eher den Status quo bevorzugen und<br />

weiter auf die sozialstaatsbegrenzende Wirkung <strong>der</strong> Marktkräfte vertrauen.<br />

3. Neue Risiken als Chance für eine europäische Landnahme. Chancen für eine europäische<br />

Sozialpolitik gäbe es auch im Bereich <strong>der</strong> neuen sozialen Risiken, sofern<br />

diese von den nationalen Wohlfahrtsstaaten nicht adäquat bearbeitet werden<br />

o<strong>der</strong> sie finanziell überfor<strong>der</strong>n. Infrage kämen beispielsweise das »Pflegerisiko«

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