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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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n a t i o n a l e So z i a l S t a a t e n i n d e r eu r o p ä i S c H e n un i o n 349<br />

Mit Blick auf eine mögliche Zentralisierung von Sozialpolitik in Europa sind<br />

Autokratie, Krieg und Depression selbstverständlich keine Begebenheiten, die<br />

man sich als Auslöser für eine Deblockierung auf <strong>der</strong> EU-Ebene herbeiwünschen<br />

sollte. Das Ziel, sie zu verhin<strong>der</strong>n, bildete vielmehr das zentrale Motiv<br />

für die Europäische <strong>Integration</strong>. Stellen wir uns aber trotzdem intensive, längerfristige<br />

militärische Aktivitäten <strong>der</strong> EU in einem Großkonflikt in <strong>der</strong> Nähe<br />

Europas vor. Ein solches militärisches Engagement dürfte mit einer teilweisen<br />

Europäisierung <strong>der</strong> nationalen Streitkräfte und ihres Einsatzes einhergehen und<br />

zöge wahrscheinlich auch eine sozialpolitische Ummantelung dieses Einsatzes<br />

nach sich. In einem solchen Fall wären wir schnell in <strong>der</strong> Nähe eines Einstiegs<br />

in eine »versorgungsförmige« europäische Sozialpolitik, die den ersten großen<br />

sozialpolitischen Institutionalisierungen in den USA nach dem Bürgerkrieg entsprechen<br />

könnte (Skocpol 1992).<br />

Da auf direktem Wege ein sozialpolitischer Durchbruch <strong>der</strong>zeit in Europa<br />

we<strong>der</strong> wahrscheinlich (positive <strong>Integration</strong>; siehe Teil 1) noch wünschenswert<br />

ist (exogene ökonomische o<strong>der</strong> militärische Schocks), soll nun <strong>der</strong> Frage nachgegangen<br />

werden, ob und inwieweit jene Bypässe für die EU von Relevanz sein<br />

könnten, die in den sechs nationalen Bundesstaaten auf Umwegen die Entwicklung<br />

des Sozialstaates beför<strong>der</strong>t haben.<br />

3.1 Der Flickenteppich-Bypass über die Budgetgewalt<br />

<strong>Die</strong> Erfahrung <strong>der</strong> beiden nordamerikanischen Bundesstaaten zeigt, dass die<br />

Bundesregierung, wenn ihr die Gesetzgebungskompetenz in <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />

fehlte, ihre Ausgabenkompetenz, eben ihre Budgetgewalt (»spending power«)<br />

nutzen konnte, um über finanzielle Anreize die Politikentwicklung auf untergeordneten<br />

Ebenen zu unterstützen (Banting 2004). Zudem verschafften diese<br />

Zuwendungen <strong>der</strong> Bundesregierung einen beherrschenden Einfluss auf die<br />

Ausgestaltung dieser Programme. Gleichzeitig konnte die Bundesregierung<br />

ihre Steuerkompetenzen instrumentalisieren, um vor allem seit dem Zweiten<br />

Weltkrieg »Sozialpolitik mit an<strong>der</strong>en Mitteln« zu betreiben, indem sie private<br />

Vorsorge und betriebliche Sozialprogramme steuerlich begünstigte o<strong>der</strong> subventionierte.<br />

Bei <strong>der</strong> heutigen <strong>europäischen</strong> Finanzverfassung sollte jedoch klar sein, dass<br />

diese Bypass-Route versperrt ist. Der EU fehlt jede relevante autonome finanzielle<br />

Grundlage für eine Entwicklung von Sozialpolitik, da sie keine Kompetenzen<br />

für eine eigene Erhebung von Steuern o<strong>der</strong> Beiträgen hat 6 und vielleicht<br />

6 Eine Abgabenverwaltung kennt die EU nur bei den Zöllen. Zu einem Überblick über die <strong>europäischen</strong><br />

Verwaltungstypen vgl. Schmidt-Aßmann (2005: 2–5).

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