07.01.2013 Aufrufe

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

e i n e n e u e pH a S e d e r e u r o p ä i S c H e n in t e g r a t i o n 143<br />

verbot folgt aber nicht logisch ein Verbot von Beschränkungen feindlicher<br />

Übernahmen. 9 We<strong>der</strong> vereinbarten die Mitgliedstaaten vertraglich die Harmonisierung<br />

<strong>der</strong> Übernahmeregeln mit dem Ziel einer bewussten För<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

feindlichen Übernahmeaktivität, noch verständigten sie sich – die logische Konsequenz<br />

– auf das Prinzip <strong>der</strong> sharehol<strong>der</strong> primacy, also die Vorrangstellung des<br />

Aktionärs gegenüber allen an<strong>der</strong>en Stakehol<strong>der</strong>-Gruppen. Binnenmarktkommissar<br />

Frits Bolkestein verheimlichte jedoch nicht, dass darin das Ziel <strong>der</strong> von<br />

ihm vorgeschlagenen Übernahmerichtlinie lag. Europa, so formulierte er, müsse<br />

das »Rheinland-Modell« nunmehr hinter sich lassen und sich <strong>der</strong> angelsächsischen<br />

Kapitalismusform zuwenden (vgl. die wörtliche Fassung dieses Zitats im<br />

ersten Absatz <strong>der</strong> Einleitung zu diesem Band).<br />

<strong>Die</strong> erste Fassung eines Richtlinienvorschlags datiert von 1989. Nach langjähriger<br />

Debatte lehnte das Europäische Parlament im Juni 2001 einen (vergleichsweise<br />

weit reichenden) Vorschlag des Vermittlungsausschusses in einer<br />

Kampfabstimmung ab: 273 Abgeordnete stimmten für die Richtlinie, 273 gegen<br />

sie, 22 Abgeordnete enthielten sich. Der umstrittene Punkt des Richtlinienentwurfs<br />

war die sogenannte Neutralitätsregel. Sie besagt, dass Vorstände im<br />

Fall feindlicher, direkt an die Aktionäre gerichteter Übernahmegebote keine<br />

Abwehrmaßnahmen ergreifen dürfen, bevor eine Hauptversammlung <strong>der</strong> Aktionäre<br />

dies ausdrücklich genehmigt. Wie Hix, Noury und Roland (2007: 215)<br />

zu Recht anmerken, handelte es sich bei dem Richtlinienentwurf um das in <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit umstrittenste Regelwerk, das dem Europäischen Parlament bis<br />

dato zur Abstimmung vorlag. Einen vergleichbaren Grad an Politisierung hatte<br />

eine europäische Richtlinie vorher nicht erfahren.<br />

<strong>Die</strong> Abstimmung im Europaparlament ist in mehreren Studien analysiert<br />

worden (Callaghan/Höpner 2005; Ringe 2005; Hix/Noury/Roland 2007: Kapitel<br />

11). Während sich die kleinen Parteien entsprechend <strong>der</strong> Links-Rechts-Achse<br />

<strong>der</strong> Parteiensysteme verhielten, stimmten die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> großen Fraktionen<br />

des Europäischen Parlaments in Abhängigkeit von ihrer nationalen Herkunft ab<br />

(Clash­of­Capitalisms-Konstellation). Je weniger aktionärsorientiert die nationalen<br />

Regime <strong>der</strong> Unternehmenskontrolle waren, umso höher war die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass die großen sozialistisch/sozialdemokratischen beziehungsweise<br />

bürgerlich/konservativen Fraktionen den Richtlinienvorschlag gemeinsam ablehnten.<br />

Und waren die nationalen Unternehmenskontrollsysteme vergleichsweise<br />

stark an den Aktionären ausgerichtet, stimmten nicht nur Konservative,<br />

9 Im Oktober 2007 stellte <strong>der</strong> EuGH auf Antrag <strong>der</strong> Kommission die Rechtswidrigkeit des deutschen<br />

Volkswagen-Gesetzes fest, weil es geeignet sei, grenzüberschreitende Investoren abzuschrecken<br />

(Urteil vom 23.10.2007, C-112/05). Auch hier wurde ein Diskriminierungsverbot<br />

sukzessive in ein Behin<strong>der</strong>ungsverbot uminterpretiert.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!