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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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112 S u S a n n e k. Sc H M i d t<br />

regelt worden waren (Stein 1986: 638). In <strong>der</strong>art gelagerten Fällen beschränkt<br />

sich die Rolle <strong>der</strong> Kommission darauf, Vorschläge für Sekundärrecht an den<br />

Ministerrat und das EP entwe<strong>der</strong> zurückzuziehen o<strong>der</strong> gar nicht erst zu unterbreiten,<br />

um so einen eventuellen Wi<strong>der</strong>spruch zwischen dem Richterrecht und<br />

sekundärrechtlichen Bestimmungen zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Dafür gibt auch die Rechtsprechung zum Artikel 141 EGV, <strong>der</strong> das gleiche<br />

Entgelt für Männer und Frauen vorsieht, ein Beispiel (Fenwick/Hervey 1995:<br />

448; Pierson 1996: 150). Der Gerichtshof hat auf dieser Basis die Rechte <strong>der</strong><br />

Frauen gestärkt und beispielsweise in seinem Kowalska-Urteil festgestellt, dass<br />

bestimmte Vorschläge <strong>der</strong> Kommission zur Regelung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit bereits<br />

aus diesem Vertragsartikel folgen (More 1991: 63f.). In diesem Fall zog die<br />

Kommission ihren früheren Vorschlag zurück. Auch hier ersetzte also judikative<br />

Politik legislative Politik direkt. Deutlich wird an diesem Beispiel auch, dass<br />

judikative Politik neben negativer auch positive <strong>Integration</strong> för<strong>der</strong>n kann, wenn<br />

sich im Vertrag entsprechende Vorschriften finden. Hierfür ist die Gleichstellung<br />

von Frauen und Männern allerdings das wichtigste Beispiel, da <strong>der</strong> Vertrag<br />

vor allem eine Wirtschaftsverfassung ist.<br />

3.2 Offene Drohungen: <strong>Die</strong> Wahl des kleineren Übels<br />

Ihren privilegierten Zugang zu judikativer Politik kann die Kommission strategisch<br />

nutzen, um auf das Abstimmungsverhalten einzelner Mitgliedstaaten<br />

Einfluss zu nehmen. <strong>Die</strong>s gelingt, weil die Kommission mit ihren verschiedenen<br />

Kompetenzen die Rückfallposition <strong>der</strong> Mitgliedstaaten einseitig verän<strong>der</strong>n kann,<br />

indem sie mit judikativer Politik droht. Verglichen mit dem vorherigen Status<br />

quo einer fortbestehenden nationalen Zuständigkeit wird Nicht-Einigung dadurch<br />

für die Mitgliedstaaten sehr viel kostspieliger. <strong>Die</strong> Kommission profitiert<br />

hier von <strong>der</strong> direkten Wirkung und dem Vorrang des <strong>europäischen</strong> Rechts sowie<br />

von <strong>der</strong> größeren Unabhängigkeit des Gerichtshofs.<br />

Auf diese Weise kann die Kommission Vorschläge im Ministerrat durchsetzen,<br />

die sonst keine Chance auf Annahme hätten. <strong>Die</strong>s gelingt, da die Kommission<br />

den wi<strong>der</strong>strebenden Regierungen damit droht, an<strong>der</strong>nfalls eine für sie<br />

nachteiligere Situation herbeizuführen (Scharpf 2000, Abb. 9.1). Angesichts<br />

dieser Drohung ziehen die Regierungen die Annahme des Vorschlags als »Wahl<br />

eines kleineren Übels« vor. Im Folgenden zeige ich anhand <strong>der</strong> Elektrizitätsliberalisierung<br />

in den Neunzigerjahren, wie die Kommission durch die Androhung<br />

eines »Worst-Case«-Szenarios im Rat ein positives Votum herbeiführen kann<br />

(siehe hierzu Schmidt 1998: 183–272).

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