07.01.2013 Aufrufe

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

n a t i o n a l e So z i a l S t a a t e n i n d e r eu r o p ä i S c H e n un i o n 345<br />

am einen und das »Qualifikationsrisiko« sowie das »Reproduktionsrisiko« am an<strong>der</strong>en<br />

Ende des demografischen Spektrums. In alternden Gesellschaften reicht<br />

einerseits die Rentensicherung nicht mehr zur Problembewältigung aus, wobei<br />

bislang nur wenige Mitgliedstaaten eine Pflegesicherung eingerichtet und dabei<br />

mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen haben. An<strong>der</strong>erseits hat Europa die<br />

Qualifizierung <strong>der</strong> Jugend seit Lissabon als lohnendes Großthema des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

entdeckt und ist im bildungspolitischen Bereich zudem schon aktiv<br />

(von Erasmus bis Bologna). Das PISA-Benchmarking <strong>der</strong> OECD hat überdies<br />

gezeigt, dass in diesem Politikfeld (fast) europaweit, bei inner<strong>europäischen</strong> Leistungsspitzen<br />

in Skandinavien, Handlungsbedarf besteht. Schließlich deuten die<br />

fast überall in Europa auf geringem Niveau stagnierenden Geburtenraten auf<br />

einen dritten Problembereich hin, <strong>der</strong> nicht zuletzt aufgrund seiner Schnittstelle<br />

zur Migrationspolitik sinnvollerweise europäisch bearbeitet werden könnte, wobei<br />

es in <strong>der</strong> Migrationspolitik bereits einschlägige Vorstöße gibt.<br />

4. Nationale Ungleichgewichte (Haushalt, Ideologie) und Druckkonstellationen. <strong>Die</strong><br />

öffentlichen Ausgaben fließen in den Mitgliedstaaten etwa hälftig in den Sozialstaat,<br />

während die an<strong>der</strong>e Hälfte für Nicht-Sozialausgaben reserviert ist. Um ein<br />

fiskalisches Gleichgewicht zu erreichen o<strong>der</strong> zu erhalten, können die Mitgliedstaaten<br />

den Weg <strong>der</strong> Einnahmenerhöhung o<strong>der</strong> den <strong>der</strong> Ausgabenkonsolidierung<br />

gehen, wobei sie den Rotstift entwe<strong>der</strong> am Sozialstaat o<strong>der</strong> bei an<strong>der</strong>en<br />

Staatsausgaben ansetzen können. In den letzten beiden Jahrzehnten haben viele<br />

Län<strong>der</strong> dabei den Akzent auf den Um- und Abbau des Staatssektors gelegt, <strong>der</strong><br />

nicht zum Sozialstaat gehört (Castles 2007). An<strong>der</strong>s gesagt: <strong>Die</strong> großen Tanker<br />

des Sozialstaates haben den Konsolidierungsdruck in Richtung an<strong>der</strong>er Begleitboote<br />

umgelenkt. In diesem Rahmen wurde nicht zuletzt als Folge europäischer<br />

Impulse <strong>der</strong> äußere Mantel des Wohlfahrtsstaates – die Daseinsvorsorge und<br />

ihre Unternehmen – privatisiert (Schnei<strong>der</strong>/Tenbücken 2004). Damit wurden<br />

nicht nur die regionalen Umverteilungsströme trockengelegt, die diese Unternehmen<br />

gespeist haben, son<strong>der</strong>n es erhöhte sich nun auch <strong>der</strong> institutionelle<br />

nationale (Rechtfertigungs-)Druck auf den »hinterbliebenen Solitär« Sozialstaat.<br />

Dadurch wurde zusätzlich das traditionelle etatistische Staatsverständnis in den<br />

nationalen Räumen destabilisiert (vgl. Leibfried/Starke 2008).<br />

Bislang haben wir die zurückhaltenden Kräfte umrissen, die uns zeigen, warum<br />

die EU nur partiell sozialstaatliche Kompetenzen erworben beziehungsweise<br />

ausgenutzt hat (Teil 1). Wir haben ferner gezeigt, wie die EU dabei in einen<br />

asymmetrischen Raum hineingeraten ist, <strong>der</strong> langfristig nicht durch Stabilität,<br />

son<strong>der</strong>n durch ein sich immer stärker aufladendes Spannungsgefüge gekennzeichnet<br />

ist (Teil 2).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!