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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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330 S t e f f e n ga n g H o f u n d pH i l i p p ge n S c H e l<br />

2005), <strong>der</strong> die negativen Beschäftigungsfolgen hoher Steuerquoten dämpft.<br />

Über diese Funktionen können nationale Regierungen im vollendeten Binnenmarkt<br />

nur noch eingeschränkt verfügen, weil <strong>der</strong> Steuerwettbewerb ihnen die<br />

Kontrolle über einen zentralen Parameter <strong>der</strong> Einkommensbesteuerung, nämlich<br />

den Körperschaftsteuersatz, entzieht. Sie können diesen Parameter nicht<br />

mehr unabhängig setzen, son<strong>der</strong>n nur noch in gegenseitiger strategischer Abhängigkeit.<br />

In diesem Sinne zumindest betreiben sie eine gemeinsame Einkommensteuerpolitik.<br />

Das Problem mit dieser De­facto-Vergemeinschaftung durch Steuerwettbewerb<br />

ist nicht <strong>der</strong> einkommensteuerliche Autonomieverlust, den sie den Mitgliedstaaten<br />

abverlangt. Denn an diesem Verlust ist nicht <strong>der</strong> Steuerwettbewerb<br />

schuld, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Binnenmarkt. Man kann nicht einen gemeinsamen Markt<br />

haben wollen, und gleichzeitig Markteinkommen weiterhin allein nach nationalem<br />

Gusto besteuern. Das Problem sind vielmehr die erheblichen Verteilungsimplikationen.<br />

<strong>Die</strong> Vergemeinschaftung durch Steuerwettbewerb begünstigt<br />

eine »rechte« Einkommensteuerpolitik mit flacher, auf Arbeitseinkommen konzentrierter,<br />

Kapitalerträge und hohe Einkommensbezieher schonen<strong>der</strong> proportionaler<br />

Tarifstruktur. Umgekehrt erschwert sie eine »linke« Politik progressiver,<br />

Arbeits- und Kapitaleinkommen gleichermaßen erfassen<strong>der</strong> Besteuerung. Selbst<br />

da, wo sich das linke Projekt mit einem »Sozialismus in einer Klasse« (Scharpf<br />

1987: 329) begnügt, also nur Arbeitseinkommen, nicht aber Kapitaleinkommen<br />

in die politische Umverteilungspflicht nehmen will, beschränkt <strong>der</strong> Steuerwettbewerb<br />

noch die Freiheitsgrade bei <strong>der</strong> Wahl des Einkommensteuerspitzensatzes<br />

für hohe Arbeitseinkommen. <strong>Die</strong>se Verteilungsimplikationen werden we<strong>der</strong><br />

auf europäischer noch auf nationaler Ebene reflektiert, geschweige denn politisch<br />

kontrolliert.<br />

Auf europäischer Ebene wird <strong>der</strong> Steuerwettbewerb zwar gemacht – durch<br />

Entscheidungen des EuGH (Grundfreiheiten) und Nicht-Entscheidungen des<br />

Ministerrates (Steuersatzharmonisierung). Aber keine <strong>der</strong> beiden Institutionen<br />

hat ein Interesse daran, zuzugestehen, dass damit zugleich auch eine steuerpolitische<br />

Richtungsentscheidung getroffen wird. Der EuGH hat kein Interesse<br />

an solchen Reflektionen, weil ein offenes Eingeständnis, mit seiner Rechtsprechung<br />

nicht nur Marktintegration zu betreiben, son<strong>der</strong>n auch steuerliche Umverteilungspolitik<br />

für und anstelle von nationalen Regierungen zu machen, seine<br />

Legitimation als nicht majoritäre Institution gefährden würde. <strong>Die</strong> im Ministerrat<br />

versammelten Regierungen haben ebenso wenig Interesse an einer offenen<br />

Debatte, weil ein Eingeständnis, über das zentrale Umverteilungsinstrument ihres<br />

Steuersystems, die persönliche Einkommensteuer, nur noch nach Maßgabe<br />

Brüsseler Vorgaben verfügen zu können, ihre Glaubwürdigkeit als majoritäre<br />

Institutionen untergraben würde. Sie verhandeln über Steuerwettbewerb und

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