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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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z e n t r a l b a n k u n a b H ä n g i g k e i t u n d k o o r d i n i e r t e lo H n a u S H a n d l u n g 377<br />

terzeichner eines Pilotabschlusses in einem koordinierten System wissen, dass<br />

ihr Abschluss kopiert und deshalb gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben<br />

wird – und dass die Zentralbank deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt<br />

auf diesen Abschluss antworten wird. <strong>Die</strong> Verhandlungspartner werden somit<br />

sensibel auf Signale <strong>der</strong> Zentralbank über die Angemessenheit bevorstehen<strong>der</strong><br />

Lohnabschlüsse reagieren. Kurz: Signale <strong>der</strong> Zentralbank werden mit höherer<br />

Wahrscheinlichkeit lohnpolitisches Verhalten beeinflussen, wo die Lohnaushandlung<br />

koordiniert erfolgt.<br />

Das legt eine weitreichende Schlussfolgerung nahe: Unter den Bedingungen<br />

koordinierter Lohnfindung mag <strong>der</strong> Zentralbank die Beeinflussung von Lohnverhandlungen<br />

und die Senkung <strong>der</strong> Inflation dadurch gelingen, dass sie ihre<br />

Vorsätze lediglich signalisiert, ohne dass die Geldpolitik damit das Niveau <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit steigern würde. An<strong>der</strong>es gilt, wo die Lohnverhandlungen unkoordiniert<br />

verlaufen und die Verhandlungspartner keine direkte Reaktion <strong>der</strong><br />

Zentralbank auf ihr jeweiliges Verhalten erwarten können. In diesem Fall mag<br />

eine strenge, die Arbeitslosigkeit steigernde Geldpolitik nötig sein, bevor die<br />

Partner in Lohn- und Preisverhandlungen reagieren.<br />

Zusammengefasst lautet unser Argument somit, dass erstens nationale Arbeitslosen-<br />

und Inflationsraten in signifikanter Weise von <strong>der</strong> Effektivität des<br />

Signaling- und Koordinationsprozesses beeinflusst werden, <strong>der</strong> sich zwischen<br />

Lohn- und Geldpolitik abspielt, und dass zweitens die Eigenheiten des Lohnverhandlungssystems<br />

für die Effektivität dieses Prozesses entscheidend sind.<br />

Durch die Kombination von »Konservatismus-« und »Effektivitäts-Effekten«<br />

wird eine Erhöhung <strong>der</strong> Zentralbankunabhängigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

in allen Systemen niedrigere Inflationsraten hervorrufen. 15 Allerdings legt<br />

die Analyse nahe, dass Kredibilitätseffekte, die es einer unabhängigen Zentralbank<br />

ermöglichen, die Inflation ohne starke Anstiege <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit zu<br />

senken, nur unter bestimmten Umständen dominieren werden – wenn nämlich<br />

Koordination und signaling effektiv verlaufen, also nur dort, wo das Lohnverhandlungssystem<br />

koordiniert ist. Wo die Lohnsetzung hingegen weniger koordiniert<br />

verläuft, dürfte eine zunehmende Unabhängigkeit <strong>der</strong> Zentralbank die<br />

Inflation nur auf Kosten steigen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit reduzieren.<br />

Wir werden die Validität dieser Aussagen in den nachfolgenden Abschnitten<br />

anhand international vergleichen<strong>der</strong> Daten überprüfen. Vorher aber diskutieren<br />

wir ihre Plausibilität anhand eines wichtigen Falls, und zwar des deutschen.<br />

15 Der Terminus Konservatismus­Effekt bezieht sich auf die Tendenz autonomer Zentralbanken,<br />

weniger Toleranz gegenüber steigenden Inflationsraten zu zeigen, während sich <strong>der</strong> Kredibilitätseffekt<br />

auf die Bereitschaft bezieht, sich tatsächlich entsprechend <strong>der</strong> angekündigten Leitlinien zu<br />

verhalten.

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