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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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114 S u S a n n e k. Sc H M i d t<br />

<strong>der</strong> EuGH die zugrundeliegende Rechtsinterpretation stützt, sollte er angerufen<br />

werden. Zwar können die Mitgliedstaaten versuchen, auf die Kommission<br />

Einfluss zu nehmen, sodass diese umstrittene Verfahren nicht o<strong>der</strong> nur langsam<br />

verfolgt. Der sehr langsame Verlauf <strong>der</strong> Vertragsverletzungsverfahren von 1991<br />

bis 1997 spricht für einen solchen Druck <strong>der</strong> Regierungen auf die Kommis sion.<br />

Aber verhin<strong>der</strong>n konnten die Regierungen die Verfahren nicht. Damit hätte<br />

man die Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Kommission als unabhängige Hüterin <strong>der</strong> Verträge<br />

gefährdet. Zudem konnte die Anwendung des EG-Vertrages nicht sicher<br />

ausgeschlossen werden, da private Akteure ebenso Verfahren einleiten können.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Einleitung <strong>der</strong> Vertragsverletzungsverfahren verhandelten die<br />

Mitgliedstaaten im Ministerrat in einer Situation <strong>der</strong> Rechtsunsicherheit über<br />

ihre verbleibenden Kompetenzen und damit über die Rückfallposition. Allerdings<br />

ist die Rechtsprechung des Gerichthofs nicht nur für die Mitgliedstaaten,<br />

son<strong>der</strong>n auch für die Kommission kaum vorhersagbar. So stellte sich <strong>der</strong> EuGH<br />

in seinen Energieurteilen vom Oktober 1997 (C-157-160/94) schließlich stärker<br />

als erwartet auf die Seite <strong>der</strong> Mitgliedstaaten und versetzte den Liberalisierungsbemühungen<br />

<strong>der</strong> Kommission damit einen schweren Schlag. Hätten die<br />

Mitgliedstaaten diese Rechtsprechung vorhergesehen, wären sie im Ministerrat<br />

wahrscheinlich nur zu einer weniger weitreichenden Richtlinie bereit gewesen.<br />

Verschiedene an<strong>der</strong>e europäische Politikentscheidungen können als »Wahl<br />

des kleineren Übels« konzeptualisiert werden. So wurde die Fusionskontrollverordnung<br />

nach dem Philip-Morris-Urteil angenommen, das die Situation für<br />

staatliche und private Akteure so verschlechtert hatte, dass eine Übertragung <strong>der</strong><br />

Fusionsverordnungsrechte an die Kommission vorteilhafter erschien (Bulmer<br />

1994; Dehousse 1998: 83). Auch die Einigung im Ministerrat auf die Güterverkehrsliberalisierung<br />

(Héritier 1997) kam zustande, nachdem <strong>der</strong> Gerichtshof<br />

den Ministerrat in einem vom Europäischen Parlament angestrengten Verfahren<br />

wegen seiner Untätigkeit in <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong> Verkehrspolitik verurteilt hatte.<br />

Daraufhin mussten alle Akteure befürchten, dass die Liberalisierung direkt über<br />

die Gerichte durchgesetzt werden würde (Young 1994: 15).<br />

<strong>Die</strong> Kommission kann den Ministerrat auch durch die Androhung von<br />

Geldstrafen unter Druck setzen, wie die Luftverkehrsliberalisierung zeigt. <strong>Die</strong><br />

Kommission drohte nach dem Nouvelles-Frontières-Urteil des EuGH von 1986<br />

mit kartellrechtlichen Entscheidungen, woraufhin <strong>der</strong> Ministerrat zwei Verordnungen<br />

zur Liberalisierung im Dezember 1987 annahm (Strivens/Weightman<br />

1989: 560; Argyris 1989: 10; Button 1992: 155).<br />

Dass die Rückfallposition <strong>der</strong> Mitgliedstaaten in den Verhandlungen ohne<br />

<strong>der</strong>en Zutun verän<strong>der</strong>t werden kann, liegt vor allem am Gerichtshof und seiner<br />

Unabhängigkeit. Ohne beson<strong>der</strong>e Rücksicht auf die Interessen <strong>der</strong> Regierungen<br />

kann dieser auch bisher rein national geregelte Bereiche <strong>der</strong> Geltung des euro-

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