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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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328 S t e f f e n ga n g H o f u n d pH i l i p p ge n S c H e l<br />

4.2 Der Europäische Gerichtshof, die vier Freiheiten und<br />

das nationale Steuerrecht<br />

Im Prinzip könnte auch <strong>der</strong> Europäische Gerichtshof zur Re-Regulierung <strong>der</strong><br />

<strong>europäischen</strong> Unternehmensbesteuerung beitragen. Dazu müsste er in seiner<br />

Rechtsprechung einen Rahmen definieren, innerhalb dessen er den Mitgliedstaaten<br />

im Namen »zwingen<strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>nisse des Allgemeininteresses« erlaubt,<br />

die Nie<strong>der</strong>lassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit von Unternehmen steuerrechtlich<br />

zu beschränken, um die grenzüberschreitende Steuerarbitrage durch Gewinnverlagerungen<br />

und Direktinvestitionen zu unterbinden. Tatsächlich hat <strong>der</strong><br />

EuGH seit den Achtzigerjahren in einer ganzen Welle von Verfahren die Vereinbarkeit<br />

nationaler Körperschaft- und Einkommensteuerregeln mit <strong>der</strong> EG-vertraglich<br />

garantierten Kapitalverkehrs- und <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsfreiheit geprüft.<br />

Seine Spruchpraxis ist bisher aber ausgesprochen restriktiv und eröffnet den<br />

Mitgliedstaaten kaum Schutzräume vor internationaler Steuerarbitrage. Im Gegenteil,<br />

wenn Unternehmen das Steuergefälle im Binnenmarkt zu ihrem Vorteil<br />

ausnutzen, so wertet <strong>der</strong> EuGH dies in <strong>der</strong> Regel nicht als Missbrauch, son<strong>der</strong>n<br />

als gutes, durch die vier Freiheiten geschütztes Recht (Terra/Wattel 2005: 81).<br />

Statt den Steuerwettbewerb zu reregulieren, hat <strong>der</strong> EuGH erheblich dazu beigetragen,<br />

ihn weiter zu <strong>der</strong>egulieren. Viele Beobachter sehen in ihm deshalb<br />

inzwischen einen <strong>der</strong> wichtigsten Motoren des <strong>europäischen</strong> Steuerwettbewerbs<br />

(zum Beispiel Uhl 2007). Woran liegt das?<br />

Wir wollen hier nur auf zwei Ursachen <strong>der</strong> steuerwettbewerbsför<strong>der</strong>lichen<br />

EuGH-Rechtsprechung eingehen (für ausführliche Analysen vgl. Terra/Wattel<br />

2005; Sedemund 2007). Erstens erkennt <strong>der</strong> EuGH die Einnahmeerfor<strong>der</strong>nisse<br />

<strong>der</strong> Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht als zwingendes Erfor<strong>der</strong>nis des<br />

Allgemeininteresses an. Er erlaubt den Mitgliedstaaten deshalb nicht, an restriktiven,<br />

die vier Freiheiten beschränkenden Steuerrechtsregeln einfach nur<br />

deshalb festzuhalten, weil bei Abschaffung dieser Regeln Einnahmeverluste<br />

drohen. Das ist problematisch, weil die von den vier Freiheiten begünstigten<br />

Sachverhalte – Waren, Personen, Kapital und <strong>Die</strong>nstleistungen – gleichzeitig<br />

auch die wichtigsten Besteuerungsgrundlagen des mo<strong>der</strong>nen Staates darstellen<br />

und weil Steuereinnahmen in gewissem Sinne das zwingendste Erfor<strong>der</strong>nis des<br />

Allgemeininteresses überhaupt sind. Denn ohne sie ist kein Staat zu machen,<br />

<strong>der</strong> das Allgemeininteresse gegen partikulare Anfechtungen schützen könnte.<br />

Zweitens erkennt <strong>der</strong> EuGH nur direkte Auswirkungen als mögliche Rechtfertigungsgründe<br />

restriktiver Steuerrechtsregeln an. Unter dem von ihm kreierten<br />

»Grundsatz <strong>der</strong> steuerlichen Kohärenz« können zwar restriktive Besteuerungsregeln<br />

aufrechterhalten werden, <strong>der</strong>en Abschaffung zu steuerlichen Ungerechtigkeiten<br />

im Hinblick auf ein und dieselbe Person und ein und dieselbe Steuer

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