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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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d e r e g u l i e r t e St e u e r p o l i t i k 325<br />

4.1 Der Ministerrat und die Probleme <strong>der</strong> Steuerharmonisierung<br />

Im Prinzip hat <strong>der</strong> Ministerrat sehr weitgehende Möglichkeiten, um den Unternehmenssteuerwettbewerb<br />

durch entsprechende Harmonisierungsmaßnahmen<br />

zu begrenzen o<strong>der</strong> sogar ganz zu stoppen (vgl. Art. 94-96 EG-Vertrag). Es hat<br />

auch nicht an Vorschlägen gefehlt, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen<br />

(vgl. Genschel 2002). Schon <strong>der</strong> erste Expertenbericht zur Steuerpolitik in<br />

Europa, <strong>der</strong> sogenannte Neumark-Bericht von 1962, hatte vor <strong>der</strong> Gefahr des<br />

Steuerwettbewerbs gewarnt und als Gegenmittel »eine weitgehende Angleichung<br />

<strong>der</strong> Effektivbelastung« bei den Unternehmenssteuern gefor<strong>der</strong>t (zitiert in Genschel<br />

2002: 158). <strong>Die</strong> Kommission griff den Ball auf und regte 1967 die Einführung<br />

einer gemeinsamen <strong>europäischen</strong> Körperschaftsteuer mit weitgehend angeglichenen<br />

Sätzen an. 1975 legte sie einen entsprechenden Richtlinien entwurf vor.<br />

Der Ruding-Ausschuss <strong>der</strong> Kommission for<strong>der</strong>te 1992 erneut, dem Steuerwettbewerb<br />

durch eine Angleichung von Körperschaftsteuersätzen, -systemen und<br />

-bemessungsgrundlagen sowie ein weitgehendes Verbot präferenzieller Steuerregime<br />

vorzubauen. Steuerkommissar Mario Monti for<strong>der</strong>te 1996 einen effektiven<br />

Mindeststeuersatz für die Körperschaftsteuer und einen Verhaltenskodex für<br />

präferenzielle Steuerregime. 2004 waren es dann die Regierungen Deutschlands<br />

und Frankreichs, die angesichts massiver Reduzierungen in den Körperschaftsteuertarifen<br />

<strong>der</strong> ost<strong>europäischen</strong> Beitrittslän<strong>der</strong> die Einführung eines gemeinsamen<br />

Mindeststeuersatzes for<strong>der</strong>ten (Ganghof/Genschel 2008: 58).<br />

Alle Vorschläge, den Steuerwettbewerb durch formale Steuerharmonisierung<br />

einzudämmen, sind bisher gescheitert. Das hat natürlich viele Gründe. Zwei erscheinen<br />

beson<strong>der</strong>s wichtig. Bis in die Achtzigerjahre war <strong>der</strong> Hauptgrund, dass<br />

es den Steuerwettbewerb noch gar nicht gab. <strong>Die</strong> Nie<strong>der</strong>lassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit<br />

waren erst ansatzweise verwirklicht. Grenzüberschreitende Direktinvestitionen<br />

und Gewinnverlagerungen unterlagen strengen Auflagen. Der<br />

Wettbewerb um niedrigere Körperschaftsteuern war entsprechend schwach und<br />

spielte, wie oben gesehen (Abbildung 1), für die nationale Steuerpolitik praktisch<br />

keine Rolle. Da die Regierungen <strong>der</strong> Mitgliedstaaten wenig Neigung verspürten,<br />

politisches Kapital in die Lösung eines Problems zu investieren, das, wenn überhaupt,<br />

erst in <strong>der</strong> Zukunft virulent würde, lehnten sie den Richtlinienentwurf<br />

(1975) <strong>der</strong> Kommission für eine Vollharmonisierung <strong>der</strong> Körperschaftsteuer<br />

einschließlich Steuerraten fast uni sono ab.<br />

Das Binnenmarktprojekt und die Einheitliche Europäische Akte än<strong>der</strong>ten<br />

das Bild. In <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> Achtzigerjahre begann die rasche Liberalisierung<br />

des Kapitalverkehrs und <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsfreiheit. Damit wurde <strong>der</strong><br />

Unternehmenssteuerwettbewerb zu einer dominanten Realität nationaler Steuerpolitik<br />

im gemeinsamen Binnenmarkt. Der Hauptgrund dafür, dass <strong>der</strong> Mi-

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