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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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314 S t e f f e n ga n g H o f u n d pH i l i p p ge n S c H e l<br />

<strong>Die</strong> Paradigmenwandelerklärung behauptet dagegen, die Ursache liege in <strong>der</strong><br />

allgemeinen, län<strong>der</strong>- und parteiübergreifenden Enttäuschung über die interventionistische<br />

Steuerpolitik, mit <strong>der</strong> in den Sechziger- und Siebzigerjahren Regierungen<br />

praktisch überall in <strong>der</strong> OECD versucht hätten, Spar- und Investitionsentscheidungen<br />

in sozial erwünschte Bahnen zu lenken. Statt <strong>der</strong> intendierten<br />

Lenkungswirkung habe diese Politik vor allem ökonomische Verzerrungen, innerstaatliche<br />

Steuervermeidung und steuerliche Ungerechtigkeit produziert. Ernüchtert<br />

hätten deshalb Mitte <strong>der</strong> Achtzigerjahre zunächst die USA und Großbritannien<br />

und danach dann sehr schnell auch an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> umgelenkt, hätten<br />

Steueranreize abgebaut, die Bemessungsgrundlagen verbreitert und nominale<br />

Steuersätze gesenkt, um das Steuersystem »marktkonformer« und »neutraler« zu<br />

machen (paradigmatisch Steinmo 2003).<br />

Beide Erklärungen sind plausibel und schließen sich gegenseitig nicht prinzipiell<br />

aus (zum Beispiel Swank 2006). Für die politische Interpretation macht es<br />

aber einen erheblichen Unterschied, ob <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> Körperschaftsteuersätze<br />

vor allem einem Präferenzwandel <strong>der</strong> Regierungen geschuldet ist und insofern<br />

politisch gewollt war (wie die Paradigmenwechselerklärung nahelegt) o<strong>der</strong><br />

ob er Regierungen von externen Wettbewerbszwängen gegen ihre »eigentliche«<br />

Präferenz aufgedrängt wurde (wie die Steuerwettbewerbserklärung suggeriert).<br />

Im Folgenden präsentieren wir theoretische und empirische Argumente<br />

dafür, dass <strong>der</strong> Steuerwettbewerb eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Ursache<br />

<strong>der</strong> Steuersenkungen gewesen ist. Wir zeigen, erstens, dass das Paradigmenwechselargument<br />

unvollständig ist und keine hinreichende Erklärung <strong>der</strong><br />

Tarifsenkungen bietet. Wir zeigen, zweitens, dass das Steuerwettbewerbsargument<br />

die Lücke schließt und eine hinreichende Begründung <strong>der</strong> Tarifsenkungen<br />

liefert. Und wir präsentieren, drittens, empirische Evidenz, dass <strong>der</strong> europäische<br />

Steuerwettbewerb die Körperschaftsteuersätze gedrückt hat.<br />

2.1 Paradigmenwechsel<br />

<strong>Die</strong> Paradigmenwechselerklärung bietet eine befriedigende Erklärung dafür, warum<br />

Regierungen in den Achtziger- und Neunzigerjahren OECD-weit an einer<br />

Steigerung <strong>der</strong> »Neutralität« und »Marktkonformität« ihrer Steuersysteme interessiert<br />

waren. Sie erklärt aber nicht, warum sie dafür einhellig eine Reformstrategie<br />

des tax­cut­cum­base­broadening gewählt haben: Denn die systematische Verbreiterung<br />

<strong>der</strong> Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Senkung des Steuertarifs ist<br />

nicht <strong>der</strong> einzige (aufkommensneutrale) Weg zu mehr Marktkonformität in <strong>der</strong><br />

Unternehmensbesteuerung. Ein an<strong>der</strong>er Weg führt über die systematische Verengung<br />

<strong>der</strong> Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Erhöhung des Steuersatzes,

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