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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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k o r p o r a t i S M u S i n d e r eu r o p ä i S c H e n un i o n 205<br />

essenverbänden jeglicher Art, die ohne die materielle Unterstützung <strong>der</strong> Kommission<br />

nicht lebensfähig wären.<br />

1 <strong>Die</strong> Metamorphosen des Euro-Korporatismus<br />

Das Gesellschaftsmodell <strong>der</strong> west<strong>europäischen</strong> Nachkriegsepoche war Ergebnis<br />

des Versuchs einer doppelten Versöhnung: zwischen Demokratie und Kapitalismus<br />

und zwischen Arbeit und Kapital. In allen west<strong>europäischen</strong> Län<strong>der</strong>n<br />

räumte die tatsächliche Verfassung von Staat und Wirtschaft den organisierten<br />

Großklassen <strong>der</strong> Industriegesellschaft einen privilegierten Status ein: Dachverbände<br />

von Arbeitnehmern und Unternehmen bildeten eine »zweite Regierungsebene«,<br />

mit <strong>der</strong> sich die demokratisch gewählte staatliche Regierung weite Bereiche<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Macht teilte. Letztlich diente dieses Arrangement vor allem<br />

<strong>der</strong> Institutionalisierung <strong>der</strong> Gewerkschaften in einem sozialstaatlichen Kontext,<br />

in dem öffentliche Daseinsvorsorge, Vollbeschäftigung und Tarifautonomie<br />

gleichermaßen garantiert werden mussten, wenn <strong>der</strong> Zusammenhalt <strong>der</strong> von<br />

Krieg und Diktatur beziehungsweise Besatzung und Kollaboration physisch und<br />

sozial verheerten Gesellschaften Europas wie<strong>der</strong>hergestellt werden sollte. Zugleich<br />

beinhalteten die »tripartistische« Organisation <strong>der</strong> politischen <strong>Ökonomie</strong><br />

und <strong>der</strong> mit ihr gegebene Konsenszwang zwischen den Klassen Garantien für<br />

das private Unternehmertum gegen Majorisierung in demokratischen Wahlen. 2<br />

Oberstes Ziel <strong>der</strong> neu etablierten demokratischen Regierungen musste sein,<br />

eine Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit <strong>der</strong> Zwanziger- und Dreißigerjahre zu<br />

vermeiden; hiervon hing nach allgemeiner Ansicht nicht nur die Wie<strong>der</strong>wahl<br />

<strong>der</strong> jeweils regierenden Parteien, son<strong>der</strong>n das Überleben <strong>der</strong> Demokratie als<br />

politischer Organisationsform überhaupt ab. Allerdings war eine innen- und<br />

klassenpolitische Befriedung ohne das Zugeständnis freier Tarifverhandlungen<br />

an starke und unabhängige Gewerkschaften ebenfalls undenkbar. Vereinbaren<br />

ließ sich beides nur, wenn es gelang, die Gewerkschaften davon zu überzeugen,<br />

dass freiwillige Unterstützung <strong>der</strong> staatlichen Wirtschaftspolitik durch Lohnzurückhaltung<br />

den Interessen <strong>der</strong> Arbeitnehmer an Beschäftigungssicherheit,<br />

sozialer Sicherung und stetig wachsenden Reallöhnen dienlich war. Staatliche<br />

Wirtschaftspolitik musste deshalb zugleich keynesianische Nachfragesteuerung<br />

und planvolle För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> industriellen Entwicklung beinhalten. Starke, strategisch<br />

handlungsfähige Verbände von Arbeit und Kapital – konflikt- und kompromissfähig<br />

nach außen und verpflichtungsfähig nach innen – waren damit<br />

2 Zum Zusammenhang von Korporatismus und Demokratie siehe Crouch (2006).

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