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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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380 p e t e r a. Ha l l u n d ro b e r t j. fr a n z e S e , jr .<br />

Zweifellos konstituieren diese Arrangements ein System hoch koordinierter<br />

Lohnfindung und haben die niedrige Inflation tendenziell begünstigt. <strong>Die</strong><br />

Verhandlungspartner in <strong>der</strong> Metallindustrie wissen, dass ihre Abschlüsse mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung erlangen werden.<br />

Folglich muss die IG Metall bei Lohnverhandlungen nicht auf Zuschläge<br />

hinwirken, um für erwartbare Preiserhöhungen zu kompensieren, die aus den<br />

Abschlüssen an<strong>der</strong>er Sektoren folgen. Sowohl IG Metall als auch Gesamtmetall<br />

haben starke Anreize, bei ihren Abschlüssen die gesamtwirtschaftlichen Implikationen<br />

ihrer Lohnpolitik in Rechnung zu stellen. Folglich reduziert bereits die<br />

Ausgestaltung des Lohnverhandlungssystems allein die Inflation.<br />

Darüber hinaus ist für das deutsche System auch eine bestimmte Form <strong>der</strong><br />

Interaktion zwischen Lohnverhandlungen und Zentralbank typisch. <strong>Die</strong> höchst<br />

öffentliche Kommunikation zwischen Bundesbank und den Tarifpartnern während<br />

Lohnverhandlungen ist ein markantes Merkmal deutscher Politik. <strong>Die</strong> Bank<br />

lässt zu den Lohnfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gewerkschaften immer wie<strong>der</strong> gezielte Kommentare<br />

verlautbaren, verbunden mit Einschätzungen <strong>der</strong> wirtschaftlichen Lage<br />

und Warnungen hinsichtlich möglicher geldpolitischer Konsequenzen, sollten<br />

Lohnabschlüsse übermäßig inflationär ausfallen. Wegen des vergleichsweise hohen<br />

Zentralisationsgrads <strong>der</strong> Verhandlungen wissen die Verhandlungspartner in<br />

<strong>der</strong> Regel, ob die Bank eine Reaktion auf die jeweiligen Abschlüsse intendiert;<br />

und es ist nicht unüblich, dass die Verhandlungspartner ihrerseits Einschätzungen<br />

über die wahrscheinlichen wirtschaftlichen Effekte ihrer For<strong>der</strong>ungen verlautbaren<br />

lassen (siehe zum Beispiel Streeck 1984, 1994; Scharpf 1988, 1991:<br />

Kapitel 7; Berghahn/Karsten 1987).<br />

Kurzum: <strong>Die</strong> Koordination <strong>der</strong> Lohnaushandlung in Deutschland mündet in<br />

einen höchst effektiven Signalsetzungsprozess. Freilich arbeitet das System nicht<br />

perfekt. Hin und wie<strong>der</strong> mag es sein, dass die Lohnpolitik die Bundesbank herausfor<strong>der</strong>t,<br />

um ihre Reaktionsweisen zu testen o<strong>der</strong> um die Bedürfnisse <strong>der</strong> Basis<br />

zu befriedigen. Aber, auf lange Sicht betrachtet, haben die Vertragspartner den<br />

Verlautbarungen <strong>der</strong> Bundesbank sorgsam Beachtung geschenkt. Folglich gelang<br />

es <strong>der</strong> Bundesbank häufig, durch die glaubhafte Drohung mit Zinserhöhungen<br />

auf mo<strong>der</strong>ate Lohnabschlüsse hinzuwirken und damit das Ausmaß, in dem restriktive<br />

Geldpolitik tatsächlich eingesetzt werden musste, in Grenzen zu halten.<br />

Zwei weitere Faktoren för<strong>der</strong>n die Effektivität des Signaling-Prozesses in<br />

Deutschland. Erstens erhöht die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Bundesbank die Glaubwürdigkeit<br />

ihrer Erklärungen, was auch dazu beiträgt, dass das Niveau <strong>der</strong> Pilotabschlüsse<br />

durch nachfolgende Abschlüsse nicht übertroffen wird. <strong>Die</strong>ser<br />

Umstand legt die Existenz eines reziproken Effekts zwischen Zentralbankunabhängigkeit<br />

und Lohnkoordination nahe, bei dem jede Seite die Produktivität<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en erhöht – insbeson<strong>der</strong>e, wenn die Lohnpolitik auf sektoraler Ebene

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