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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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378 p e t e r a. Ha l l u n d ro b e r t j. fr a n z e S e , jr .<br />

3 Das deutsche Modell – neu betrachtet<br />

<strong>Die</strong> Bundesrepublik Deutschland wird häufig zur Stützung von Thesen über<br />

die wirtschaftlichen Effekte <strong>der</strong> Zentralbankunabhängigkeit herangezogen. <strong>Die</strong><br />

Bundesbank gilt als eine <strong>der</strong> weltweit unabhängigsten Zentralbanken, und die<br />

deutsche <strong>Ökonomie</strong> hat seit Ende des Zweiten Weltkriegs konstant niedrige<br />

Inflationsraten vor dem Hintergrund vergleichsweise geringer Arbeitslosigkeit<br />

hervorgebracht. 16 Der häufig getätigte Schluss, dass für den außerordentlichen<br />

Erfolg <strong>der</strong> deutschen <strong>Ökonomie</strong> vor allem die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Bundesbank<br />

verantwortlich sei, erscheint verlockend. <strong>Die</strong>se Schlussfolgerung mag einer <strong>der</strong><br />

Gründe dafür sein, dass die Europäische Zentralbank nach dem Vorbild <strong>der</strong><br />

Bundesbank errichtet wird (siehe Alesina/Grilli 1993; Eichengreen 1992: 38ff.).<br />

Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass nicht nur die Bundesbank<br />

zu dieser wünschenswerten Kombination von niedriger Inflation und geringer<br />

Arbeitslosigkeit beigetragen hat. 17 Wir werden nachfolgend aufzeigen, dass auch<br />

das institutionelle Arrangement <strong>der</strong> Lohnaushandlung <strong>der</strong> deutschen <strong>Ökonomie</strong><br />

zu <strong>der</strong> Fähigkeit verholfen hat, niedrige Inflationsraten vor dem Hintergrund<br />

relativ geringer Arbeitslosigkeit hervorzubringen. 18 <strong>Die</strong> eingehende Analyse des<br />

deutschen Falls verspricht Einsichten in die institutionellen Arrangements koordinierter<br />

Lohnfindung und ihres Zusammenwirkens mit <strong>der</strong> Geldpolitik; die Details<br />

dieses Zusammenwirkens variieren selbstverständlich von Land zu Land.<br />

Wenden wir uns zunächst dem institutionellen Unterbau <strong>der</strong> Lohnaushandlung<br />

zu. <strong>Die</strong> deutsche Arbeiterschaft organisiert sich in Einzelgewerkschaften,<br />

die oftmals ganze Industrien abdecken und ihrerseits in einem Dachverband,<br />

dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), zusammengeschlossen sind. 19 <strong>Die</strong>-<br />

16 Zwischen 1955 und 1990 betrug die durchschnittliche Inflationsrate Deutschlands 3,7 Prozent,<br />

verglichen mit einem Durchschnitt von 6,0 Prozent aller hier betrachteter OECD-Län<strong>der</strong>.<br />

<strong>Die</strong> durchschnittliche deutsche Arbeitslosenquote betrug 3,1 Prozent, im OECD-Durchschnitt<br />

aber 4,0 Prozent. Siehe Lohmann (1994).<br />

17 Wir konzentrieren uns hier auf organisatorische Faktoren <strong>der</strong> politischen <strong>Ökonomie</strong>. An<strong>der</strong>e<br />

Faktoren mögen ebenfalls zur hohen Preisstabilität in Deutschland beigetragen haben, so beispielsweise<br />

das nachhaltige Wirtschaftswachstum und eine allgemein geteilte kulturelle Aversion<br />

gegen Inflation, die in <strong>der</strong> Hyperinflation <strong>der</strong> Zwanzigerjahre wurzelt. Wir neigen dazu, den<br />

Beitrag des letztgenannten Faktors für eher gering zu halten; an<strong>der</strong>e aber schreiben ihm eine<br />

prominente Rolle zu. Siehe Hirsch/Goldthorpe (1978), Lindberg/Maier (1985).<br />

18 Detailliertere Analysen des deutschen Falls finden sich bei Soskice (1990), Scharpf (1991),<br />

Streeck (1984a, 1984b). Siehe auch Hall (1986: Kapitel 9) für eine frühe Formulierung ähnlicher<br />

Argumente.<br />

19 Zwei kleinere Gewerkschaftsverbände außerhalb des DGB, die Deutsche Angestelltengewerkschaft<br />

(DAG) und <strong>der</strong> Deutsche Beamtenbund (DBB), beeinflussen die Gesamtergebnisse nicht<br />

maßgeblich. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e für die vergleichsweise kleine DAG; <strong>der</strong> DBB repräsentiert<br />

Beamten, <strong>der</strong>en Besoldung auf dem Gesetzesweg zustande kommt. Zu öffentlich Beschäftigten<br />

und Lohnaushandlung siehe Garrett/Way (1995b); zu ihrem Zusammenwirken mit <strong>der</strong> Zentral-

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