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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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d i e ewu a l S w o r k i n p r o g r e s s 411<br />

Angesichts <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> EWU wäre es für Deutschland nicht<br />

zweckmäßig, auf die Schwächung seiner mächtigen Gewerkschaftsbewegung<br />

hinzuwirken und Arbeitsbeziehungen nach US-amerikanischem Vorbild anzustreben.<br />

Deutschland musste nach Wegen verbesserter Koordination zwischen<br />

Arbeitgebern, Betriebsräten und Gewerkschaften suchen, wollte es die Probleme<br />

<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung bewältigen und Beschäftigungsaufbau im Kontext<br />

<strong>der</strong> EWU erreichen. Das resultierte in einer gewissen Lockerung bundesweiter<br />

Koordination und <strong>der</strong> Ermöglichung größerer Flexibilität bei Arbeitsorganisation<br />

und Lohnfindung, ohne damit aber die durch die Organisation <strong>der</strong> Produzentengruppen<br />

ermöglichte Fähigkeit zur strategischen Koordination gänzlich<br />

zu unterminieren (Martin/Thelen 2007). Ähnliches kann von an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n<br />

gesagt werden. <strong>Die</strong> strukturellen Anpassungen an die EWU haben unterschiedliche<br />

Formen. Wie wir im Jahr 1998 herausstellten, war die EWU nur »the first<br />

step in a more extensive process of institution building«, <strong>der</strong> in unterschiedlichen<br />

Spielarten des Kapitalismus unterschiedliche Formen annimmt.<br />

<strong>Die</strong>ser Prozess <strong>der</strong> Institutionenbildung verlief nur selten reibungslos. Einerseits<br />

beinhaltet er Experimente mit unterschiedlichen Reformen, bis ein Weg<br />

gefunden wird, <strong>der</strong> funktioniert. An<strong>der</strong>erseits handelt es sich aber auch um einen<br />

eminent politischen Prozess, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s dann Wi<strong>der</strong>stand hervorruft,<br />

wenn er Beschäftigtengruppen Verluste auferlegt. Gleichwohl haben die politischen<br />

<strong>Ökonomie</strong>n mit unterschiedlichen institutionellen Strukturen Wege zur<br />

Anpassung an die Währungsunion gefunden.<br />

Im Lauf dieses Prozesses haben sich auch die vorherrschenden Ansichten<br />

über die Vorteilhaftigkeit von Währungsunion und Zentralbankunabhängigkeit<br />

verän<strong>der</strong>t. Als wir unseren Beitrag im Jahr 1998 schrieben, war <strong>der</strong> Mainstream<br />

zu beidem in hohem Maße optimistisch. <strong>Die</strong> Zentralbankunabhängigkeit galt<br />

als grundsätzlich vorteilhaft und wurde von den meisten <strong>europäischen</strong> Län<strong>der</strong>n<br />

adaptiert. In den nachfolgenden Jahren wurde aber deutlich, dass die von <strong>der</strong><br />

Zentralbank eingenommene geldpolitische Haltung mindestens ebenso wichtig<br />

ist wie ihr Grad an Unabhängigkeit von <strong>der</strong> Politik. <strong>Die</strong> Aufmerksamkeit richtete<br />

sich nunmehr auf die Unterschiede zwischen einer Zentralbank wie <strong>der</strong> American<br />

Fe<strong>der</strong>al Reserve Bank, die vergleichsweise responsiv auf Beschäftigungsprobleme<br />

reagiert, und <strong>der</strong> EZB, die ihre Aufmerksamkeit mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

ausschließlich auf das Inflationsproblem richtet. Nunmehr wird mitunter argumentiert,<br />

die geldpolitische Haltung <strong>der</strong> EZB würde dem Wachstumsproblem<br />

gerechter, würden strukturelle Regeln sie zu einem Dialog auf gleicher Augenhöhe<br />

mit einer politischen Vertretung <strong>der</strong> Mitgliedstaaten anhalten und sie damit<br />

responsiver für politische Beschäftigungsbelange machen.<br />

Ganz ähnlich erscheinen auch die Vorteile <strong>der</strong> Währungsunion selbst heute<br />

weniger eindeutig, als man in den Neunzigerjahren dachte. Wir glauben weiter-

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