Interreligiös_pdf - Manfred Litzlbauer

1.5.4 Mystik im Mittelalter
Mystik wird ja als Gotteserfahrung oder als Erfahrung der Nähe Gottes bezeichnet. Eine erste
wesentliche mystische Welle erlebte das Christentum in der Spätantike und hier vor allem
durch die Wüstenväter und Wüstenmütter. Offensichtlich führte der gesellschaftliche Umbruch
im Mittelalter wiederum zu einem mystisch, spirituellen Höhepunkt. Allerdings im Vergleich zu
früher, kann man hier zwei sehr unterschiedliche mystische Strömungen feststellen. Einerseits
eine sehr intellektuelle Strömung und andererseits eben die bekannte emotionale Strömung.
Letztere wird auch als affektive Mystik bezeichnet. Diese ist im Kräfteverhältnis zwischen reichen
Städten und gerade aufkeimenden Bettelorden entstanden. Mitglieder der Bettelorden
haben sehr viele soziale Dienste insbesondere bei der Krankenbetreuung und bei der Linderung
der Armut geleistet. Dabei half nicht die lateinische Sprache, sondern man musste das Wort
Gottes den Menschen im damaligen Dialekt – also Volkssprache – beibringen. Mitglieder von
Bettelorden kamen sehr häufig aus gebildeten Kreisen und konnten Latein. Im Zusammenwirken
zwischen Askese, Kenntnis der Schrift und Diakonie entstanden beeindruckende Gotteserlebnisse.
Vor allem waren es Frauen.
Die andere Strömung der Mystik wird als Spekulative bezeichnet und war geprägt von der
Scholastik. Hoch intelligente Menschen, insbesondere Männer waren in der Lage Schrift und
Philosophie zu vermengen und hatten so intellektuelle mystische Erlebnisse.
Spirituelle Theologie
© Manfred Litzlbauer