Ukraina, Land und Volk ; eine gemeinfassliche Landeskunde

— 237 —
Sie hat am besten die große Bedeutung der geographi*
sehen Lage der Ukraina erwiesen. Der altukrainische
Staat mußte als erster den Mongolenansturm aufhalten.
Nach der Niederlage wurde von allen europäischen Län*
dern die Ukraina zuerst mit Feuer und Schwert verwüstet.
Es ist wahr, der starke Widerstand der Ukraina hat den
Tatarenandrang wirksam aufgehalten und nur diesem
Widerstand hat es Europa zu verdanken, daß es im
13. Jahrhunderte nicht dasselbe Schicksal gehabt hat wie
Asien, welches von den Mongolen Dschingischans zu
drei Vierteln erobert wurde. Der ukrainische Staat
kämpfte noch ein ganzes Jahrhundert lang mit den Tata?
ren, konnte sich aber nicht länger behaupten. Ukraina
wurde von den Tataren systematisch verwüstet, für den
Kampf mit ihnen mußte die ganze kriegerische Kraft des
Staates daraufgehen. Gleichzeitig konnten die wests
liehen und nördlichen Nachbarn, die
Polen und Litauer
hinter dem Rücken der Ukrainer sich frei entwickeln
und ihre Kräfte vergrößern. Endlich annektierten die
Polen Ostgalizien und der Rest der Ukrainer war vor
die Wahl gestellt, entweder sich den Litauern anzuschlie?
ßen, deren höhere Stände damals kulturell ganz ukrainisch
waren, oder unter das moskowitische Joch zu gehen. Sie
haben das erstere gewählt. Die Lubliner Union (1569)
hat die Ukraina an Polen angegliedert. Alles dies sind
verhängnisvolle Folgen der geographischen Lage des La^
des an der
Schwelle Europas und Asiens.
Noch lange nach dem Verluste der staatlichen Un:*
abhängigkeit dauerten die traurigen Folgen der geographi:!
sehen Lage der Ukraina an. Die beständigen Tataren;:
und Türkeneinfälie, die Millionen ukrainischer Sklaven
auf den Sklavenmärkten des Orients mußten noch lange
Jahrhunderte die Lebensquelle für die ihrem Verfall ent?
gegeneilende orientalische Welt sein. Aber in Bälde be?