Ukraina, Land und Volk ; eine gemeinfassliche Landeskunde

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Sogar unter den Ukrainern selbst ist die Meinung
vielfach verbreitet, daß sie ein Steppenvolk seien. Die
Feinde der Ukrainer haben sie vielfach vor den Augen
Europas als ein halbnomadisches, jeder Kultur bares
Steppenvolk dargestellt, welches durch sein Wachstum
und seine Entwicklung die Kulturschätze Europas he^
drohen könnte. Diese Ansichten, obgleich sie einerseits
auf die große Rolle, welche die Steppe in der Geschichte
der Ukraina spielt, andererseits auf der zweifellosen Tat?
Sache, daß die heutige Ukraina zu drei Vierteln ihres
Territoriums im Steppengebiet von Osteuropa liegt,
stützt sind, haben doch keine Richtigkeit. Denn es ge*
nügt, einen Blick auf die Vegetationskarte von Europa
zu werfen, um zu sehen, daß die sogenannte alte Ukraina,
das heißt das ursprüngliche ukrainische Territorium bei«:
nahe vollständig im Waldgebiete liegt. Also: Galizien,
Cholm, Westpodolien, Westwolhynien, Kyjiw, Tscherny?
hiw usw. Von hier ist die uralte ukrainische Kolonie
sation zum Schwarzen Meere vorgedrungen, um dann
im Nomadenansturm alle Steppengebiete zu verlieren.
Jahrhundertelang waren die Steppen der heutigen Ukra#
ina der Tummelplatz mongolischstürkischer Nomaden*
Völker. Erst das Kosakentum hat ihnen große Gebiete
abgenommen und der ukrainischen Kolonisation zugäng*
lieh gemacht. Und erst die letzte kolonisatorische Ex*
pansion der Ukrainer hat das pontische Gestade wieder
erreichen können. Die Ukrainer waren also Ursprung*
lieh ein Wald* und Waldwiesenvolk. Zu einem teilweisen
Steppenvolk hat sie erst die letzte kolonisatorische Ex*
pansion gemacht. Und ebenso wie wir heute weder die
Engländer noch die Nordamerikaner ein Steppenvolk
nennen werden, nur deswegen, daß sie die amerikanischen
Prärien kolonisiert haben und sie jetzt bewohnen, ebenso*
wenig können wir auch die Ukrainer ein Steppenvolk
ge?