Ukraina, Land und Volk ; eine gemeinfassliche Landeskunde

— 260 —
Solche Ausführungen können nur von einem her?
rühren, der keinen Begriff von der Klimatologie und
Anthropogeographie hat. Auf solchen Prämissen kann
nur derjenige fußen, der sich von vornherein eine These
zurechtgemacht hat und nun um jeden Preis deren Güb
tigkeit beweisen will. Denn es ist ja allgemein bekannt,
daß derselbe Winter mit derselben weißen Decke zur
gleichen Zeit ganz Skandinavien, Polen, Deutschland,
Nordfrankreich bedeckt. Man kann zur Winterszeit von
Astrachan nicht nur nach Archangelsk, sondern auch
einerseits bis Irkutsk, andererseits bis Stockholm, manch?
mal sogar nach Paris mit Schlitten fahren. Nicht nur der
Dniprö gefriert, sondern auch die Weichsel, Oder, Elbe,
manchmal sogar die Seine. Wenn wir Eis und Schnee
als Grundlage der „Vereinheitlichung" nehmen, so bleibt
nur wenig von Europa übrig. Denn nicht nur im Schnee
und Eis soll man Anzeichen der Einheitlichkeit des Kli*
mas suchen, sondern in dessen allgemeinem Charakter,
in der Gemeinsamkeit aller klimatischen Merkmale. Es
ist wahr, daß die Ukraina zur osteuropäischen Klima*
provinz gehört, aber zu ihr kann man noch beinahe ganz
Schweden, beinahe ganz Polen, einen Teil Österreich*
Ungarns und Preußens zählen und Supan zählt hinzu
noch ganz Westsibirien, Kaukasien und Turkestan. Ein
jeder Geograph versteht, daß eine so große klimatische
Provinz selbst in der Klimatologie in kleinere Gebiete
geteilt werden muß, geschweige denn im alltäglichen
Leben.
Ein jeder Bewohner Südrußlands, sei er auch kein
Ukrainer von Geburt, spürt die Verschiedenheit des Kli?
mas der Ukraina vom Petersburger oder Moskauer Klima
sehr stark. Es findet sich selten ein russischer Schrift*
steller, welcher das schöne Klima Ukrainas nicht als
wunderbar mild im Vergleiche mit dem unfreundlichen
Klima des Heimatlandes schilderte. Und wie stark spürt