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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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Es ließe sich einwenden, dass eine Neubestimmung der Extension der Rationalität<br />

noch nicht an deren Grundfesten rüttelt, selbige also nicht grundlegend<br />

in Frage stellt; ganz im Gegenteil: eine Ausweitung könnte eher mit<br />

einer <strong>St</strong>ärkung des jeweiligen Rationalitätstyps in Verbindung gebracht werden,<br />

als mit Schwächung durch Infragestellung. Doch Welsch geht auch in<br />

diesem Punkt weiter. So beschränkt sich bei ihm der Einfluss der Paradigmen<br />

auf die Rationalität nicht auf die Extension derselben, sondern setzt<br />

sich auch mit der inneren Verfassung und Methodik der Rationalität auseinander.<br />

So wie Paradigmen auch nicht nur Extension, nur Grenzziehung bedeuten,<br />

sondern Kriterien und Methodiken generieren, prüfen und vertreten,<br />

so ist deren Interaktion mit der Bedingung der Rationalität nicht nur äußerlicher,<br />

sondern auch und vor allem innerlicher Natur. Es entsteht eine Dialektik<br />

zwischen Paradigma und Rationalität, deren Charakteristik die formale<br />

und innere Verfasstheit beider Seiten evolviert.<br />

Durch die Verflechtung zwischen Paradigmen unterschiedlicher Rationalitätstypen<br />

entsteht zudem nicht nur innerhalb einer Rationalität die prozessuale<br />

<strong>St</strong>ruktur einer Methoden- und Theorien-Dialektik seiner Teile; es<br />

kommen auch die Beziehungen der Rationalitäten zueinander durcheinander.<br />

Diese „Unordentlichkeitswirkungen“ 96 sind aber keineswegs zu verwechseln<br />

mit Bereichen irrationaler Prozesse, sondern sind ganz im<br />

Gegenteil aus der Entwicklung der Rationalitäten selbst zu erklären. So ist<br />

die Auflösung der eigenen Grenzen aus Sicht der Rationalität rational<br />

rekonstruierbar; es handelt sich somit um „rationale Unordentlichkeit“ 97 und<br />

ist aus diesem Grund auch zentral relevant aus der Perspektive eines<br />

vernunftkritischen Ansatzes.<br />

Darüber hinaus kann es nach Welsch im Zuge der Verflechtungen zu gefestigten<br />

Verbindungen zwischen Paradigmen kommen, welche in ihrer<br />

<strong>St</strong>ruktur quer zu den Rationalitätsbereichen liegen und lateral sich ins Ganze<br />

der Rationalität erstrecken. Durch eine Bewährung im Ganzen kann es zu<br />

einer Etablierung dieser Paradigmenverbände kommen, so dass unterschiedliche<br />

Versionen des Ganzen entstehen. Das Ganze der Rationalität<br />

wird auf diese Weise perspektivisch unterschiedlich konstruiert und rekonstruiert<br />

und erscheint zudem plural konstituiert. Diese plurale Konstitution<br />

ist schon im Zusammenhang mit der Ausdifferenzierung der Vernunft in<br />

96 Welsch (1996: 445).<br />

97 Welsch (1996: 447; Hervorhebung im Original).<br />

117

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