TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Argumentiert man konsequent auf Grundlage der nicht vollständigen Leere<br />
und Positionsungebundenheit aus der vorherigen Erörterung, so ergibt sich<br />
auch hier eine stärkere Differenz, als dies Welsch vorgibt. 204 Auch wenn<br />
diese Reinheit in einer Purifikationsdynamik angestrebt wird, so ist die tatsächliche<br />
Differenz zwischen Vernunft und Rationalität durch diesen kleinen,<br />
aber relevanten Unterschied geprägt. 205 Eine Trennung macht auch dies<br />
nicht notwendig, aber genauso wenig ist die kategoriale Differenz in eine<br />
Differenz der Operationstypen auflösbar.<br />
Auch wenn die Inhalte nur asymptotisch zurückgedrängt werden, so ist<br />
Vernunft doch nicht länger mehr das Universale selbst, sondern stellt den<br />
spezifischen Zugang zu diesem dar. Luckner kann in diesem Zusammenhang<br />
auch Parallelen zu Hegel aufzeigen:<br />
„In der Transversalität der Vernunft - ihrer Dialektik - liegt, dass sie schon<br />
durch das Schaffen eines Übergangs von einer (Verstandes-)Sphäre zur nächsten<br />
auf die Ganzheit ausgreift, aus der heraus die einzelnen Sphären allererst<br />
herausdifferenziert sind. Das heißt aber auch, dass es diese Totalität strenggenommen<br />
nicht schon gibt, bevor die Vernunft tätig wird. Die Totalität wird<br />
vielmehr durch den Gang der Vernunft erzeugt (...) und sie ist nicht durch<br />
grundlegende und fundamentale Prinzipien schon abgesteckt (denn von wem<br />
auch?). Auch bei Hegel ist die Totalität, auf die die Vernunft wesentlich bezogen<br />
ist, nicht schon gegeben, wie man immer wieder fälschlicherweise unterstellt,<br />
und von daher seine Philosophie alles andere als ein philosophischer<br />
Totalitarismus. Das, womit Verstand bzw. die vielen Rationalitäten nur rechnen,<br />
das Allgemeine, wird von der Vernunft erzeugt. Vernunft ist damit die<br />
„sich in sich entwickelnde Totalität“ und nicht etwa schon eine fixfertige, die<br />
von einem unausgewiesenen god’s eye view beschrieben werden könnte.“ 206<br />
Über die Charakteristik als ‚Zugang‘ hinaus zeigt sich hier ein weiterer zentraler<br />
Punkt, denn neben der Rolle des Mediums wird die Rolle des „Erzeugers“<br />
deutlich: Durch die mediale Vermittlung wird Totalität erzeugt, die<br />
zuvor nicht bestand. Die phänomenologische Gesamtheit ist existent, der<br />
204 Vor diesem Hintergrund sind auch die vielen kritischen <strong>St</strong>immen bezüglich einer<br />
Trennung nachzuvollziehen, denn diese Trennungscharakteristik wird implizit in der<br />
Welsch’schen Argumentation mitgetragen und vermittelt.<br />
205 Es scheint sich diese Differenz auch nicht aufzulösen, würde die Reinheit erreicht<br />
werden und damit auch die inhaltliche Leere: Der Ausgriff aufs Gesamte bleibt „unhintergehbare“<br />
Differenz.<br />
206 Luckner, A. (2000): Transversale Vernunft. Oder: Wolfgang Welschs Übergang ins<br />
dialektische Denken, in: EuS, Jg. 11, H. 1, S. 123-126, hier S. 124; Hervorhebungen im<br />
Original; Fußnoten weggelassen.<br />
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