TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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daß dieses Ganze nicht handhabbar, nicht besetz- und besitzbar, nicht positiv<br />
zu kanonisieren ist. Fällt eines der beiden Momente weg, so verkehrt Vernunft<br />
sich in Unvernunft, und aus der Berufung auf Vernunft geht eine Praxis der<br />
Unvernunft hervor.“ 127<br />
So stellt sich die Vernunft selbst nicht als das Ganze, das Allumfassende dar,<br />
als Garant des Absoluten, sondern als Zugang, als Konnektion zum Absoluten,<br />
von welchem die Vernunft nie Teilhaberin werden kann, sondern immer<br />
nur Teilnehmerin in Form einer Ahnung vom Absoluten bleibt.<br />
Welsch beschreibt die vermeintlich zentralen Aspekte dieses paradigmatischen<br />
Wandels von Einheit zur Vielheit auch in der Frage nach einer <strong>St</strong>ruktur<br />
und Verfassung der Vernunft durch „Diversität als Signatur des Ganzen“<br />
128 und „Bejahung letzter Vielheit“ 129. Die Diversität als kognitiver Parameter<br />
auf der einen Seite beschreibt die neuartige Antwort auf die Frage<br />
nach der Ganzheit, nach Totalität. Es muss die „Entkoppelung von Ganzheitsfrage<br />
und Einheitsantwort“ 130 erreicht bzw. ergänzt werden durch<br />
„(...) die positive Formel „Verkoppelung von Ganzheitsfrage und Vielheitsauskunft“.<br />
Ganzheit bleibt die unverzichtbare Perspektive der Vernunft. Aber<br />
heute führt deren Verfolgung auf <strong>St</strong>rukturen der Diversität.“ 131<br />
Es ergibt sich daraus eine Verschiebung der Einheit auf die Ebene der pluralen<br />
Teile. Man könnte insofern antworten, dass die Ganzheitsfrage in<br />
modernem Sinne nur auf Ebene der Rationalitäten und deren Einheit beantwortet<br />
werden kann. Einheit bedeutet dann die Einheit der Rationalitäten als<br />
Teile eines vielfältigen Ganzen. Auf Ebene der Vernunft muss man sich mit<br />
der Diversität auseinanderzusetzen.<br />
Die „Bejahung letzter Vielheit“ ist weit mehr als nur eine Geschmacksfrage.<br />
Die Attraktivität von Einheit durchzieht die ganze Menschheitsgeschichte<br />
und steht in direktem Zusammenhang mit der Suche nach Orientierung,<br />
nach Kontinuität, nach Erfass- und Verstehbarem. Dort, wo nach Einheit gesucht<br />
wird, dort entwickeln sich Eigendynamiken, so dass auch diejenigen<br />
Dinge, die vielleicht von der Norm abweichen mögen, unter dem Blick-<br />
127 Ebenda.<br />
128 Welsch (1996: 659ff.).<br />
129 Welsch (1996: 662ff.).<br />
130 Welsch (1996: 660).<br />
131 Ebenda.<br />
127