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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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nach dem Verhältnis der diversen rationalen Formen – und zwar in einem<br />

Geist fortgesetzter Klärung und vorbehaltloser Gerechtigkeit.“ 184<br />

Der „Geist vorbehaltloser Gerechtigkeit“ lässt erahnen, dass auch die Vernunft,<br />

die Welsch beschreibt, jenseits der formalen Prinzipien zusätzlich von<br />

Inhalten besetzt ist. In seiner Replik konkretisiert Welsch seine Vorstellung<br />

einer Leere und Positionsungebundenheit von Vernunft. Zusammen stellen<br />

diese Bestimmungen die Reinheit der Vernunft dar. Die Reinheit ist nicht<br />

Faktum, sondern Zielpunkt einer „Purifikationsdynamik“.<br />

„Entscheidend scheint mir allerdings zu sein, daß wir beim Begriff ‚Vernunft‘<br />

eine Purifikationsdynamik im Sinn haben müssen - oder andernfalls nicht<br />

wirklich von Vernunft sprechen. Wer sich in Vernunftfragen dieser Purifikationsdynamik<br />

nicht aussetzt, operiert nicht im Sinn von Vernünftigkeit (...). -<br />

Ich vertrete also auch in Sachen Reinheit keine substantialistische, sondern<br />

eine prozessualistische Position.“ 185<br />

Diese „prozessualistische Position“ von Welsch kommt jedoch nach Ansicht<br />

des Verfassers ohne eine „inhaltliche Minimallösung“ nicht aus. Wenn<br />

Welsch von einer Purifikation spricht, so setzt er Unreinheit voraus. Man<br />

müsse sich klarmachen, „daß es, genau betrachtet, eine wahrhaft neutral und<br />

rein operierende Vernunft wohl gar nicht gibt“ 186. Die Reinheit als unerreichbarer<br />

Zielpunkt wird auch von Leoprechting expliziert:<br />

„Mithin kann es praktisch keine reine Vernunft und ausschließlich formale<br />

Vernunft geben. Allenfalls kontrafaktisch ließe sich eine reine Vernunft denken:<br />

Als Ideal, als Ansporn und als analytische Konstruktion. Daher müßte die<br />

transversale Vernunft auch noch etwas bescheidener werden, als sie durch<br />

ihre Selbstbeschränkung auf Formalität ohnehin schon ist.“ 187<br />

Es ist, und dies ist in den meisten Kritiken missverstanden worden, und auch<br />

bei Welsch wird dies in dieser Deutlichkeit nicht ganz klar, diese Reinheit<br />

eher in ihrer asymptotischen Dynamik zu verstehen. 188<br />

184 Welsch (2000a: 87).<br />

185 Welsch (2000b: 177).<br />

186 Welsch (2000a: 84).<br />

187 Leoprechting (2000: 120; Hervorhebungen im Original).<br />

188 Die „tatsächliche Unreinheit“ deutet bereits an, inwieweit Vernunft nach Welsch auch<br />

als subjektives Vermögen zu verstehen ist, als eine personale Fähigkeit, die in ihrer<br />

Charakteristik immer schon eine Entwicklung darstellt und nicht zu tatsächlicher<br />

Reinheit gelangen kann. In diesem Kontext ist die Reinheit der Vernunft ein Ziel-

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