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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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selbst Verschiedenes, Differenzierbares. Diesen Bezug zeichnet das eigene<br />

Leben in seiner Grundverfassung aus. Dies impliziert in einer ethischen<br />

Lebensgestaltung die Offenheit und Akzeptanz, das Gegebensein des Lebens<br />

wahrzunehmen und zu begreifen. 86 Die Konsequenz, mit der diese Implikation<br />

auftritt, begründet in der Verbindung mit der Unendlichkeit des Anderen,<br />

der zwingend zu dem Gegebensein dazugehört, die ethische Qualität in<br />

der „horizontalen Dimension“, im Hier und Jetzt der Lebensgestaltung. Was<br />

in der „Vertikalen“, ob transzendent oder phänomenologisch, die innere Begründung<br />

konstituiert, wird nach außen durch die lebensweltliche Verwiesenheit<br />

auf komplementäre Weise ergänzt. Denn erst in dieser Komplettierung<br />

ergibt sich der konsistente Rahmen eigener Lebensgestaltung in Bezug<br />

auf das eigene und „andere“ Wesen. Das Bindeglied zwischen Innen und<br />

Außen, zwischen der elementaren Voraussetzung und dem sich betätigenden<br />

Leben, benennt Rendtorff mit der Aussage, dass die Gestaltung des<br />

eigenen Lebens in einer ethisch reflektierten Weise das Geben des Lebens des<br />

Anderen bedeutet. Der bereits entwickelte Begriff der „Verwiesenheit“<br />

kommt somit in dem zweiten Grundelement, dem „Leben geben“ zum Ausdruck.<br />

„Das eigene Leben bestimmt und bewirkt in seinem tätigen Vollzug immer<br />

auch Leben für andere. Wir sind und gestalten für andere eine Welt des<br />

Lebens.“ 87<br />

Obwohl das eigene Leben unausweichlich in Beziehung zum Leben anderer<br />

steht, wird es allgemein als grundsätzliche Offenheit und freie Entscheidung<br />

des Einzelnen verstanden, sich zu dieser Beziehung zu verhalten oder auch<br />

nicht. Aus ethischer Perspektive jedoch ist diese Freiheit nur scheinbar. Es<br />

kann niemand vermeiden, sich zu dieser Beziehung zu verhalten. 88 Die Lossagung<br />

von jeglicher Verantwortung überhaupt übersieht die Evidenz dieser<br />

Grundstruktur für das tätige Leben. Eine bewusste Verweigerung von<br />

Verantwortungsübernahme hingegen trägt die Evidenz in sich, drängt aber<br />

86 Zum wiederholten Male wird deutlich, inwiefern der Vollzug ethischer Reflexion von<br />

dem ersten Schritt der unvoreingenommenen, deskriptiven, offenen, sorgfältigen<br />

Wahrnehmung des personalen oder situativen Anderen abhängt.<br />

87 Rendtorff (1980: 45; Hervorhebungen im Original).<br />

88 In dieses Beziehungsgeflecht sind selbstverständlich nicht nur menschliche Wesen<br />

einbezogen, sondern jegliches Leben, sei es menschlicher, tierischer oder pflanzlicher<br />

Natur.<br />

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