TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Hierbei werden die lebensweltlichen Bezüge, der nicht vollständig hintergehbare<br />
Hintergrund lebensweltlichen Handelns166, soweit wie möglich in<br />
eine kritische Selbstreflexion einbezogen. Der Einzug von Rationalisierungsprozessen<br />
in die lebensweltlichen Bezüge geht einher mit der Disposition<br />
überwiegend unreflektierter Sinnbezüge.<br />
74<br />
„Die kommunikative Rationalisierung der Lebenswelt entlässt die Individuen<br />
zwar aus konventionellen (zugeschriebenen) Konsensverpflichtungen, nimmt<br />
sie aber sozusagen erneut in die Pflicht der kollektiven Anstrengung der praktischen,<br />
kommunikativen Vernunft, wenn die Sozialintegration soweit erhalten<br />
werden soll, dass ein friedliches, gutes Zusammenleben möglich ist.“ 167<br />
Die lebensweltliche Rationalisierung konstituiert eine sozial integrative Wirkung.<br />
Eine kollektive Öffnung gegenüber einer kritischen diskursiven Auseinandersetzung<br />
über konventionell tradierte Lebensinhalte sichert die<br />
„kommunikative Überlebensfähigkeit“ dieser Inhalte. Konstitutive Parameter<br />
der Lebensweltlichkeit, welche nicht zur Diskussion gestellt werden<br />
können, laufen im Zuge der Rationalisierung der Lebenswelt Gefahr, ihre<br />
gemeinschaftliche Unterstützung zu verlieren. Sie verlieren latent ihr<br />
„Konsens-Potential“. Annahme dieser Überlegungen bleibt, dass zu einer<br />
nachhaltig gelingenden Tradierung lebensweltlicher Bezüge eine prinzipielle<br />
Öffnung gegenüber Rationalisierungsprozessen notwendig ist. Die Forderung<br />
einer totalen Infragestellung durch die lebensweltlichen Akteure kommt<br />
hierbei dem Wesen der Lebensweltlichkeit nicht nahe: „Im Ganzen steht uns<br />
dieser Traditionshintergrund niemals zur Disposition“. 168 Die grundsätzliche<br />
Nicht-Reflektierbarkeit erweist sich damit als graduelle Konzeption, welche<br />
jedoch von den Akteuren nie vollständig beschritten werden kann. Die<br />
grundsätzliche Offenheit gegenüber Reflexion ist Überlebensvoraussetzung<br />
einer Gesellschaftsordnung, die totale Offenheit im Sinne einer totalen<br />
Umkehrung hingegen ist überlebensverhindernd. Die Frage nach dem<br />
adäquaten Reflexionsgrad des Traditionshintergrundes scheint im Ermessen<br />
der Akteure zu liegen und wird zwischen den Generationen immer wieder<br />
166 Habermas spricht in diesem Zusammenhang von implizitem Wissen, Waldenfels (1985:<br />
194ff.) verbindet dies mit dem Begriff der „Heimat“. Zu einer Übersicht vergleiche<br />
auch Kirsch (1992: 60ff.). Vgl. Habermas, J. (1984): Vorstudien und Ergänzungen zur<br />
Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt, S. 584.<br />
167 Ulrich (1993: 72).<br />
168 Ulrich (1993: 73; Hervorhebungen im Original).