TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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eine Auseinandersetzung, fordern jedoch signifikante Veränderungen und<br />
Akzentverschiebungen. 172<br />
In Zeiten extrem hoher Fluktuationsraten ist die Rede von einer inneren<br />
Identität der Unternehmung nur bedingt treffend. Nicht nur, dass die<br />
Gesamtheit der Mitarbeiteridentitäten einem absoluten Wandel unterliegt,<br />
der nicht mit natürlichen Entwicklungsprozessen verglichen werden kann;<br />
auch die Bereitschaft des Einzelnen, seine individuelle Identität in die<br />
Gesamtheit einzubringen, schwindet mit Zunahme der Fluktuationsdynamik.<br />
Die Verweildauern der Mitarbeiter werden kürzer, es entsteht ein<br />
kompetitives anstatt eines kollegialen Klimas, das eigene Wissen wird zunehmend<br />
zum internen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitarbeitern und<br />
der Einzelne schützt sich durch Zurückhalten der eigenen Meinung, eigener<br />
Ideen, eigenem (eventuell mit Risiko verbundenem) Engagement.<br />
Zusätzlich zu dieser Verzerrung, die aufgrund der realen Unternehmensund<br />
Marktverfassung entsteht, führt der Evaluationsprozess zur Erfassung<br />
der Unternehmensidentität zu Verzerrungen, die durch das präformierte<br />
Urteil der Wahrnehmung zustande kommt: Es ist gängige Praxis, den<br />
Evaluationsprozess zur Unternehmensidentität durch die Führungsebenen<br />
bzw. durch die von ihnen bestellten externen Berater durchführen zu lassen.<br />
Ganz gleich, ob dieser Prozess intern oder von extern geleistet wird, er ist<br />
gleichsam durchwirkt von strategisch-ökonomischen Interessen. Eine Identitätserfassung<br />
in einer Unternehmung ist damit immer auch Leitbild-<br />
Entwicklung. Damit geht der reine Analysecharakter der Identifikation verloren.<br />
Wird die Feststellung immer schon mit einer Zielvorstellung verbunden,<br />
so kann niemals das wahrgenommen werden, was existiert, sondern<br />
eher das, was gewünscht ist. Das ökonomische Wunschbild einer Unternehmensrealität<br />
ist jedoch ein zukünftiges, kein aktuelles. 173<br />
Es wird deutlich, dass sich die Unternehmung nicht - und auch nicht vorübergehend<br />
- aus der Erfolgsorientierung lösen kann. Die Wahrnehmung der<br />
Anderen geschieht nicht um derer selbst Willen, sondern immer schon im<br />
Hinblick auf die zu erreichenden ökonomischen Ziele, ist immer schon ge-<br />
172 Als komplementär kann man die Ansätze jedoch nur aufgrund der Unterschiedlichkeit<br />
der durch sie behandelten Themen rekonstruieren; das ist auch der Grund, weshalb<br />
an dieser <strong>St</strong>elle auf die komplexen Ausarbeitungen zu Management-Konzepten<br />
von Kirsch zurückgegriffen wird.<br />
173 Ein „Wunsch“ impliziert die erhoffte Veränderung der bestehenden Tatsachen. In<br />
diesem Sinne kann er nur auf die Zukunft gerichtet und mit dem Bestehenden nicht<br />
identisch sein.<br />
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