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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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„(...) stiftete es kollektive Identitäten dadurch, daß die gemeinsame Arbeitserfahrung<br />

und Arbeitswelt milieu- und organisationsbegründende Wirkungen<br />

hatte: Betriebskollektive, Gewerkschaften sowie Arbeiterwohnviertel und<br />

Arbeitermilieus sind auf dieser Grundlage entstanden.“ 103<br />

In diesem Sinne scheint das hohe Niveau der Flexibilisierung des Arbeitnehmers<br />

zwar auf der einen Seite Sicherheit, auf der anderen Seite aber auch<br />

„Identitätsfraktale“ mit sich zu bringen. In Zeiten eines starken technologischen<br />

Wandels bedeutet dies für den Arbeitnehmer zudem lebenslanges<br />

Lernen. Die Weiter- und Fortbildung ist nicht nur für die momentane<br />

Arbeitsstelle von Bedeutung, sondern kann darüber hinaus beim Erwerb von<br />

Zusatzqualifikationen entscheidendes Kriterium bei eventuellen zukünftigen<br />

Bewerbungen darstellen.<br />

Es wird deutlich, dass es bei der Identifikation des Einzelnen mit der Arbeit<br />

zunehmend weniger darum geht und gehen kann, was bzw. auch wie<br />

(Arbeitsplatzwechsel) man arbeitet, als dass man arbeitet. Diese Entfremdung<br />

des Einzelnen stellt Selbstschutz des Einzelnen dar, der von der Marktseite<br />

provoziert wird. 104 Dieser Selbstschutz hat zum Ziel, den eigenen Identitätsaufbau<br />

von dem Inhalt der Arbeit loszulösen. Dies mindert zumindest<br />

das Risiko, in eine Identitätskrise durch den Verlust des Arbeitsplatzes zu<br />

geraten - von der sozialen Frage abgesehen. 105 Eine Überwindung dieser zir-<br />

103 Schmiede, R. (1996b): Informatisierung und gesellschaftliche Arbeit: <strong>St</strong>rukturveränderungen<br />

von Arbeit und Gesellschaft, in ders. (1996a), S. 107-128, hier S. 127f.<br />

104 Einen ähnlichen Effekt erzeugt die Technologisierung der Arbeit. So bspw. Wenzel:<br />

„Die Menschen werden zu Systembedienern, die Subjekte selbst dem technischen<br />

Verfahren unterzogen. Mensch und System gleichen sich immer stärker an. Das Denken<br />

vollzieht die endgültige Mimesis an die selbst hervorgebrachte Form, und der<br />

Verstand droht die Vernunft, die ihm erst seine Macht gab, endgültig zu besiegen. Die<br />

Frage nach dem Sinn des eigenen Daseins wird sinnlos.“ (Wenzel, H. (1996): Die<br />

Technisierung des Subjekts im Zeitalter der Information: Zum Verhältnis von Individuum,<br />

Arbeit und Gesellschaft heute, in: Schmiede, R. (Hrsg.), Virtuelle Arbeitswelten:<br />

Arbeit, Produktion und Subjekt in der „Informationsgesellschaft“, Berlin, S. 179-<br />

200, hier S. 197).<br />

105 Die Erosion der kollektiven Identität wird insbesondere in der Betrachtung der New<br />

Economy evident: es wird individualisiert gearbeitet, was individuelle Freiheit, aber<br />

auch individuelle Machtlosigkeit bedeutet; Freiheit und Machtlosigkeit/Abhängigkeit<br />

sind in diesem Kontext nicht getrennt voneinander denkbar. Die Euphorie über das<br />

Feststellen von paradigmatischem Wandel ist trotz alledem zu dämpfen und einer<br />

differenzierten und differenzierenden Reflexion zuzuführen. Auch die Ausführungen<br />

von Sennett, so plausibel sie erscheinen mögen, sind vor diesem Hintergrund nicht in<br />

Frage zu stellen, so doch differenziert wahrzunehmen. In der hier entwickelten<br />

Argumentation wird aus diesem Grund der inhaltliche Erosionsbefund nicht im Mittelpunkt<br />

stehen. Er bleibt ein Befund unter vielen.<br />

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