TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
in diesem Argumentationskontext erweitert um die (moralischen) Ansprüche<br />
der „Vertragspartner“, der <strong>St</strong>akeholder.<br />
Es mag aufgrund dieser Unterschiede nicht verwundern, wenn Kirsch seinen<br />
eigenen Ansatz im Vergleich bzw. oder eben gerade nicht im Vergleich zu<br />
dem Ulrichschen Ansatz als „inkommensurabel“ bezeichnet. Auch wenn die<br />
erkenntnis- bzw. „radikalpluralistische“ 169 Perspektive des Kirsch‘schen<br />
Ansatzes in die Richtung einer Überschreitung der eigenen disziplinären<br />
und methodischen Grenzen weist, so scheint deren Überschreitung jedoch<br />
eher im Sinne einer Anreicherung im Gegensatz zu einer grundsätzlichen<br />
Reflexion zu geschehen. Wunderer bezeichnet die Ansätze von Ulrich und<br />
Kirsch als „weitgehend ökonomieunabhängige, sozialwissenschaftlich orientierte<br />
Managementansätze“ 170. Dies mag für den Verwendungszusammenhang<br />
zutreffen, auf Ebene der Begründung jedoch besteht nach Meinung des<br />
Verfassers eine kategoriale Differenz. 171 Vor diesem Hintergrund der Differenz<br />
sind die folgenden Ausführungen zu verstehen. Sie verhindern nicht<br />
169 Vgl. zu dieser Kategorisierung Walter-Busch (1996).<br />
170 Wunderer, R. (1988): Die Betriebswirtschaftslehre als Management- und Führungslehre,<br />
2. ergänzte Aufl., <strong>St</strong>uttgart, S. VI.<br />
171 Es kann an dieser <strong>St</strong>elle (leider) keine ausführliche Auseinandersetzung der beiden<br />
Positionen mit- und/oder gegeneinander erfolgen. Ein „Kernsatz“, der bei Kirsch den<br />
wesentlichen Unterschied zu Ulrich verdeutlicht, lautet: „Mir schwebt demgegenüber<br />
die Bejahung der Komplexität vor. Und dies bedeutet unter anderem, daß ich alle<br />
(auch betriebswirtschaftliche) Traditionen als a priori relevante Kontexte für die Explikation<br />
und Bewältigung von Problemen der Praxis ansehe.“ (Kirsch, W. (2000): Erkenntnispluralistische<br />
Führungslehre: Zum programmatischen Diskurs in der Betriebswirtschaftslehre,<br />
unveröff. Arbeitspapier, München, S. 96). Dieses „a priori“<br />
lässt den postmodernen Charakter der Kirsch’schen Konzeption durchscheinen. Bei<br />
Kirsch ist der Befund der Pluralität normativ und Programm seiner Führungslehre. Im<br />
Vergleich dazu ist in dieser Argumentation die Pluralität in der „Letztbegründung“<br />
deskriptiv zu verstehen. Sie kann nicht in die letzte Begründung normativ<br />
vordringen, wird jedoch, und dies zeichnet eine postmoderne Moderne aus, sehr weit<br />
ins „Innere“ des Begründungszusammenhangs vorgelassen. Gerade in Bezug auf die<br />
Figur des „Anderen“ wird die Pluralität auch als normatives Programm deutlich; die<br />
letzte Norm kann sie jedoch nicht bilden. Auch wenn bei Ulrich dieser hier „praktizierte“<br />
normative Pluralismus nicht explizit „hofiert“ wurde, so stellt er sich, so das<br />
Verständnis des Verfassers, doch als grundsätzlich anschlussfähig an die Ulrichsche<br />
Position dar, sofern es nicht um die Letztbegründung geht. Vgl. zu den beiden Positionen<br />
in ihrem Bezug aufeinander auch Ulrich, P. (1995): Betriebswirtschaftslehre als<br />
praktische Sozialökonomie, in: Wunderer, R. (Hrsg.), Die Betriebswirtschaftslehre als<br />
Management- und Führungslehre, 3., ergänzte Aufl., <strong>St</strong>uttgart, S. 179-204.<br />
237