TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Neben der unterschiedlichen Vollzugs- und Bezugscharakteristik von Vernunft<br />
und Rationalität ist deren Mengenstatus zu klären. Während Totalitätsbzw.<br />
Bereichsorientierung prozessuale Bestimmungen sind, ist deren jeweiliger<br />
<strong>St</strong>atus in ihrer Lokalität, in ihrer inhaltlichen Extension bislang unterterminiert<br />
- insbesondere im Verhältnis zueinander. Welsch möchte hier mit<br />
einem, nach seiner Meinung, traditionellen Missverständnis aufräumen, welches<br />
die Vernunft als Meta-Rationalität konzipierte. Dies ergab sich aus der<br />
traditionellen Vernunftkonzeption, die der Vernunft einer inhaltlichen Bestimmung<br />
zugeführt hatte, einem „Satz fundamentaler und inhaltlicher<br />
Prinzipien (...), der ihr die Dekretierung einer Meta-Ordnung für alle Gegenstände<br />
und für all unser Verstehen und Begreifen ermöglichte“ 112. Diese traditionelle<br />
Interpretation verfehlt den Begriff der Vernunft und dessen Charakteristik<br />
„in grundsätzlicher Weise“ 113.<br />
Wie verhält sich jedoch nun die Vernunft zu der Rationalität, wenn sie nicht<br />
über ihr steht? Nach Welsch ist die Vernunft immer schon in der Rationalität<br />
enthalten, da sich die Rationalität derselben „logischen Prinzipien bedient,<br />
die wir zuvor als <strong>St</strong>rukturen der Vernunft identifiziert haben“ 114. Aufgrund<br />
dieser Überschneidung in den formalen Vollzügen schließt Welsch, dass<br />
Vernunft ein „immanentes und notwendiges Moment von Rationalität“ 115 ist.<br />
Somit können also beiden dieselben formalen Logiken zugeschrieben<br />
werden, und die Unterscheidung zwischen ihnen bezieht sich auf die<br />
Differenz in der Perspektive, wie bereits oben schon erwähnt.<br />
„In gewissem Sinne beginnen die Aufgaben der Vernunft dort, wo die Interessen<br />
der Rationalität enden. Während Rationalitätstypen ihr Verhältnis zu<br />
anderen Typen und Gebieten nur sekundär und in strategischer und selbstsichernder<br />
Absicht ins Auge fassen, widmet Vernunft sich genuin der Frage<br />
nach dem Verhältnis der diversen rationalen Formen – und zwar in einem<br />
Geist fortgesetzter Klärung und vorbehaltloser Gerechtigkeit.“ 116<br />
Unklar bleibt, warum der Inhalt von Vernunft rein formaler Natur sein soll,<br />
wenn als Inhalt gerade dasjenige beschrieben wird, was von der Rationalität<br />
aufgrund ihrer durch den Bereich beschränkten Perspektive nicht mehr er-<br />
112 Welsch (2000a: 86).<br />
113 Ebenda.<br />
114 Welsch (2000a: 87).<br />
115 Ebenda.<br />
116 Ebenda.<br />
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