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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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durch die Verdinglichung erzeugte Verkürzung von sinnlicher Erfahrung. 134<br />

Gorz beschreibt das Rechnerische Kalkül als „Prototyp der verdinglichenden<br />

Rationalisierung“ 135 und führt dessen Ursachen zurück auf den der Quantifizierung<br />

anhängenden Selbstzweck:<br />

„Seine Rechengröße ist die Arbeitsmenge pro Produkteinheit an sich, unter<br />

Abstraktion vom (Er)Leben der Arbeit: vom Vergnügen oder Mißbehagen,<br />

das mir diese Arbeit verschafft; von der Art der Anstrengung, die sie von mir<br />

verlangt; von meiner affektiven und ästhetischen Beziehung zum produzierten<br />

Gegenstand.“ 136<br />

In der Abstraktion entfremdet sich das Individuum von den Inhalten der<br />

Arbeit. Dieser Arbeitsinhalt setzt sich aus dem Inhalt des Produkts, dem<br />

Inhalt der Tätigkeit und dem Inhalt des gesamten Erlebnisses zusammen.<br />

Dabei sind diese unterschiedlichen Inhalte weder unabhängig voneinander<br />

noch überschneidungsfrei und damit trennscharf fassbar. Diese Inhaltsdimensionen<br />

werden nur dann ökonomisch relevant, wenn ihnen ein direkter<br />

ökonomischer Bezug zum ökonomischen System nachgewiesen werden<br />

kann. Den Nachweis erbringt die Ökonomie selbst. Wird bspw. festgestellt,<br />

dass Gruppenerlebnisse zu einer höheren Produktivität führen, so besitzen<br />

diese Gruppenerlebnisse direkte ökonomische Relevanz, werden übersetzt,<br />

also mit Zahlen besetzt, und damit handhabbar für das Rechnerische Kalkül.<br />

Im ökonomischen System werden auf diese Weise Sachverhalte, Bezüge und<br />

auch Menschen inhaltlich rekonstruiert, was dazu führt, dass diese „Gegenstände“<br />

auf ihre ökonomische Relevanz verkürzt werden und, solange diese<br />

Relevanz die maßgebliche Bewertungsreferenz ist, verkürzt bleiben. 137 Horkheimer<br />

stellt diese Dominanz bereits im Jahre 1947 fest:<br />

134 Vgl. hierzu Horkheimer, M. (1967): Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. Aus den<br />

Vorträgen und Aufzeichnungen seit Kriegsende. Herausgegeben von Alfred Schmidt,<br />

Frankfurt, S. 47ff.<br />

135 Gorz (1998: 157).<br />

136 Ebenda.<br />

137 Dass die ökonomische Rekonstruktion den relevanten Bewertungsmaßstab in unserer<br />

heutigen Gesellschaft darstellt, lässt keine Aussage über die Begründetheit und<br />

Nachhaltigkeit dieser Rekonstruktion zu. Dies käme einem naturalistischem Fehlschluss<br />

gleich. Der Begriff der „schöpferischen Zerstörung“, der den innovativen Geist<br />

der Ökonomie zu charakterisieren versuchte, erscheint vor dem Hintergrund dieser<br />

inhaltlichen Aushöhlung in neuem Licht. Vgl. hierzu Schumpeter, J.A. (1950): Kapitalismus,<br />

Sozialismus und Demokratie, 2. erw. Aufl., München, S. 134ff.<br />

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