TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Eine ethische Reflexion hat sich mit den tatsächlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen<br />
und damit neben den notwendigen auch die hinreichenden<br />
Bedingungen zu betrachten. Diese setzen sich aus den äußeren (materiellen<br />
und sozialen) Bedingungen des Subjekts (Fraktale, Entgrenzung, Erosion,<br />
Macht etc.) und den inneren Bedingungen des Subjekts, den Potentialen und<br />
Möglichkeiten (Bewusstsein, Mut, Überzeugung etc.) zusammen. 76 Im Folgenden<br />
wird es darum gehen, Möglichkeiten des ethischen Vollzugs unter<br />
den aktuellen äußeren Bedingungen und ihren Implikationen auszuloten.<br />
Dabei soll das Subjekt als solches und in seiner direkten Sozialität in den<br />
Mittelpunkt gestellt werden. 77 Neben die intraindividuellen Herausforderungen<br />
treten dabei die Herausforderungen reflektierter Intersubjektivität.<br />
Wesentlicher Befund für eine Reflexion über die Möglichkeiten eines ethischen<br />
Vollzugs ist die „Unsichtbarkeit“ der Kolonialisierung. Die ökonomische<br />
Rationalität erreicht durch ihre Reduktion und Verdinglichung auch<br />
in lebensweltlichen Bezügen, dass der Maßstab jeglicher kritischer Reflexion<br />
selbst erodiert und damit auch eine hinreichende Bedingung des ethischen<br />
Vollzuges. 78 Die äußeren Befunde der Entgrenzung und Fraktale haben zudem<br />
zu einer Form von Orientierungslosigkeit des Einzelnen in seinen inne-<br />
76 Auf die inneren Bedingungen (Fähigkeiten) wird in Abschnitt 12 in Bezug auf die<br />
Unternehmung eingegangen.<br />
77 In dem am Ende zu analysierenden Kontext der inneren Verfassung der Unternehmung<br />
soll hier eine ethische Analyse vornehmlich als eine „philosophische Bemühung<br />
um den Menschen“ verstanden werden, wie Buch über die Ethik Nicolai Hartmanns<br />
schreibt, auch wenn sich vielfältige andere Bezüge gleichwertig stellen mögen.<br />
Vgl. hierzu Buch, A.J. (1982): Wert – Wertbewußtsein – Wertgeltung: Grundlagen und<br />
Grundprobleme der Ethik Nicolai Hartmanns, Bonn, S. 219. Wenn es Hartmann<br />
darum geht, die „Bedeutsamkeit des Menschen als sittliches Wesen herauszustellen,<br />
d. h. der Person mit ihrer Freiheit und Wertträgerschaft als Vermittler der in den<br />
Werten als Prinzipien gesehenen und von diesen ausgehenden Sollensforderungen<br />
ins Reale“ (Buch 1982: 219; Endnoten weggelassen), so trifft sich dies mit dem intersubjektiven,<br />
sozialen Kontext der Unternehmung. Ergänzt wird dieser anthropologische<br />
Grundzug durch die Darstellung intersubjektiver Verwiesenheit im folgenden<br />
Kapitel. Hartmann bezeichnete dies damals als „Rehabilitation des Menschen“<br />
(Hartmann, N. (1962): Ethik, 4. Aufl., Berlin, S. 170).<br />
78 In Abschnitt 3.3 ist deutlich geworden, dass die ökonomische Rationalität durch ihre<br />
lebensweltliche Dominanz selbst dem lebensweltlichen Gegenüber sukzessive das<br />
kritische Potential entzieht - das Potential des sensiblen Wahrnehmens, genauen Differenzierens<br />
und offenen Kritisierens. Diese Erosion wird zudem durch die kommerzialisierte<br />
Gesellschaft tagtäglich reproduziert. Die Arbeitsgesellschaft konstituiert<br />
den Zirkel aus Erwerbsarbeit und Konsum, welcher auch die Fragen des sozialen<br />
<strong>St</strong>atus entscheidet. Deutlich wird dies bspw. an dem Marken-Kult der Jugend, der in<br />
den 80er Jahren intensiv einsetzte. Vergleiche hierzu insbesondere die pointierten Beschreibungen<br />
bei Klein (2001). Vgl. auch Abschn. 2.1.<br />
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