TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Entwicklungsprozessen nimmt im Wesentlichen die ethische Bestimmung<br />
der gelassenen Distanz auf, die sich im gemäßigten Voluntarismus (geplante<br />
Evolution) exemplarisch zeigt: Machbarkeitsphantasien relativieren sich<br />
unter der Einsicht einer Unbeeinflussbarkeit von evolutiven Prozessen und<br />
der Unmöglichkeit umfassender Problemlösung. Im abschließenden Kapitel<br />
einer Fähigkeitenbetrachtung werden Möglichkeiten des gestalteten Zueinanders<br />
(reziproke Reflexion) und damit des nachhaltigen Überschreitens der<br />
ökonomisch-rationalen Grenzen diskutiert.<br />
12.2 Identität und Entwicklung (in) der Unternehmung<br />
Der Kontext der Unternehmung ist durch die Befunde von Voß und Sennett<br />
charakterisiert worden. Der eine Befund der strukturellen (materiellen) Entgrenzung<br />
von Voß zeigte auf, in welchem Maße die Grenze zwischen<br />
Lebens- und Arbeitswelt erodiert und Überschreitungen in beide Richtungen<br />
mehr denn je ermöglicht. Dabei ist festgestellt worden, dass diese erhöhte<br />
Überschreitungsmöglichkeit aufgrund unterschiedlicher aktueller Faktoren<br />
überwiegend nur in eine Richtung „genutzt“ wird, nämlich in Form von<br />
Kolonialisierung und anderer Beeinflussung der Lebenswelt durch die Ökonomie.<br />
Diese strukturelle Entgrenzung führt u. a. zu inhaltlicher (materialer)<br />
Entgrenzung im Kontext Arbeit, die die Identitätserfahrung und –aufbau des<br />
Einzelnen erheblich erschwert, wie der andere Befund von Sennett zeigt. Aus<br />
diesem Grund der inhaltlichen und für den Einzelnen elementaren Implikationen<br />
struktureller Entgrenzung scheint es um so dringlicher, die andere<br />
Richtung der Überschreitung, also in die Arbeitswelt hinein, in Form von<br />
Bewegungen, Beeinflussungen und Bereicherungen auszuloten. Beide Ansätze<br />
konnten aufzeigen, in welcher Weise die äußeren (sachlichen) hinreichenden<br />
Bedingungen ethischen Vollzugs die inneren hinreichenden Bedingungen<br />
herausfordern, strapazieren und überfordern.<br />
Baethge (1991) beschreibt die Richtung in die Arbeitswelt hinein. Er stellt<br />
eine zunehmende normative Subjektivierung der Arbeitsverhältnisse fest. Baethge<br />
zeigt auf, dass das Bedürfnis, seine eigene individuelle Subjektivität in die<br />
Arbeit einzubringen, gestiegen ist. Die Normativität dieses Bedürfnisses ist<br />
232<br />
„(...) im Sinne der Geltendmachung persönlicher Ansprüche, Vorstellungen<br />
und Forderungen in der Arbeit [zu verstehen], im Gegensatz zu solchen<br />
Momenten von Handlungsspielraum und Berücksichtigung persönlicher Be-