TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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nunft instrumentalisiert und relativiert und damit ihres eigentlichen Potentials<br />
beraubt. Die hier strapazierte Subjektorientierung versteht sich ausschließlich<br />
in der Dialektik und Ergänzung zur objektiven Vernunft. Dieser<br />
Bezug ist ihr immanent. Vernunft wird hier in ihrer objektiven und subjektiven<br />
Dimension komplementär rekonstruiert. Beide Dimensionen sind notwendige<br />
Bestandteile des Einen. Der objektive Bezug wird durch die subjektive<br />
Reflexion revitalisiert und gewinnt in dieser kritischen, aber auch „unreinen“<br />
Reflexion an Überzeugungskraft.<br />
9.2.4 Vernunft als notwendige Bedingung des ethischen Vollzugs<br />
Vernunft ist Notwendigkeit des ethischen Vollzugs, also des ethischen Reflexionsprozesses.<br />
Sie schafft die notwendigen Voraussetzungen, nämlich die<br />
Vergleichbarkeit durch das In-Beziehung-zueinander-setzen der Rationalitäten.<br />
Ohne diese geschaffene Transversalität wäre der ethische Vollzug auf<br />
seinen eigenen Gegenstandsbereich beschränkt, was im Falle einer Ethik der<br />
Ökonomie Moralökonomie wäre. Dabei stellt die Tendenz zur Leere und<br />
Positionsungebundenheit, nach der hier vertretenen Auffassung, ein spezifisches<br />
Moment der Notwendigkeit des Vollzugs dar. 20 Es ist diese Tendenz<br />
zur Neutralität, die zwei Notwendigkeiten zu verbinden weiß:<br />
� Zum einen ist es das Faktum der nicht vollständig entleerten Vernunft,<br />
das einen inhaltlichen Anknüpfungspunkt für die Konzeption einer Ethik<br />
bietet, denn ein „auf das Notwendigste“ beschränkter Inhalt lässt Raum für<br />
eine normative Setzung durch die ethische Reflexion. Gemeinsam ist beiden<br />
diese Einsicht in die Notwendigkeit der Konnexion von Rationalitäten, also<br />
die Einsicht in die Notwendigkeit des Ausgriffs aufs Ganze. Dies ist „Endpunkt“<br />
der Vernunft und „<strong>St</strong>artpunkt“ des ethischen Vollzugs.<br />
� Zum anderen, und dies zeichnet eine auch postmoderne Konzeption im<br />
Kern aus, stellt sich Vernunft nicht in ihrem Totalitätsanspruch dar, welcher<br />
die Universalität mit einem inhaltlichen Machtanspruch verbindet, sondern<br />
versucht, eine möglichst weite, inhaltliche Offenheit zu erlangen, die sich in<br />
den „Dienst“ einer normativen Konzeption zu stellen vermag. Die Einsicht<br />
in die Notwendigkeit der Verknüpfung ausdifferenzierter Rationalitäten geschieht<br />
zur Erlangung des Kriteriums der Universalisierbarkeit „vernünftiger“<br />
Ansprüche. Dies ist nicht Gegenstand der Ethik, sondern zählt zu<br />
20 Zu den Hauptbestimmungen und der hier vertretenen Position vergleiche nochmals<br />
Abschn. 7.2. In dieser Weise ist die hier vorgestellte Konzeption ökonomischer Vernunft<br />
zu verstehen.<br />
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