TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
stellt selbst keinen Wert dar, nur im Bezug auf das System; so sind es nur<br />
Zahlen, die zuerst einmal unabhängig ihrer inhaltlichen Bestimmung existieren<br />
können - und existieren. Dieser immanente Verbund von ökonomischem<br />
Meta-Mittel und Zahl ist in dem hier entwickelten Fokus Schlüssel für<br />
den positivistischen Charakter der Ökonomie. 131<br />
In der lebensweltlichen Reflexion bedeutet dieser positivistische Charakter<br />
der Ökonomie eine tendenzielle Unhintergehbarkeit der ökonomischen Tatsachen.<br />
Die durch Zahlen erbrachten Beweise brauchen „durch keine Autorität<br />
mehr verbürgt zu werden“ 132. Dies sichert dem ökonomischen System<br />
eine Form von Autonomie und Unabhängigkeit in seiner Umwelt, die auf<br />
zweifache Weise erzeugt und reproduziert wird: Von außen durch die Umwelt,<br />
die durch die numerische Abstraktion einer „Sinn-Versperrung“ erlegen<br />
ist, und von innen durch das System, welches in seiner operationalen<br />
Geschlossenheit „sinn-resistent“ ist, da es externe Ansprüche systemintern<br />
umdeutet. Es geschieht somit innerhalb und außerhalb des Systems ein<br />
Reflexionsstopp. 133 Die Logik und Methodik der Ökonomie präsentieren sich<br />
als prinzipiell inhaltsleere Handhabungsstrukturen.<br />
3.2 Rechnerisches Kalkül – Verdinglichung sinnlicher Erfahrung<br />
Das rechnerische Kalkül stellt die zentrale ökonomische Methode dar. Sie ist<br />
Ursache ihrer Darstellungsform (Numerisch) und ihrer koordinativen Form<br />
(Markt) und deren Folge zugleich, denn sie schafft sich ihre eigenen Vehikel,<br />
die sie reproduzieren - effektiv und effizient. Neben der zuvor geschilderten<br />
Quantifizierung und ihrer positivistischen Konsequenz kann eine andere,<br />
ebenso relevante lebensweltliche Implikation festgestellt werden: Es ist die<br />
131 Der Positivismus in der Ökonomie kann hier nur angerissen werden. Ein wesentlicher<br />
und auch in der Argumentation auftauchender positivistischer Befund findet sich in<br />
der gesamten Neoklassik. Hier werden Markt und Natur in ihrem „Wesen“ gleichgestellt.<br />
Diese Analogisierungen bringen die Ökonomik in die Nähe naturwissenschaftlicher<br />
Disziplinen und deren Wahrheitsansprüchen. Vgl. hierzu im Allgemeinen<br />
Ulrich (1998: 184ff.), Ulrich (1993: 173ff.), Maak, Th. (1999): Die Wirtschaft der Bürgergesellschaft:<br />
Ethisch politische Grundlagen einer Wirtschaftspraxis selbstbestimmter<br />
Bürger, Bern/<strong>St</strong>uttgart/Wien, S. 21ff.; Brodbeck, K.-H. (1998): Die fragwürdigen<br />
Grundlagen der Ökonomie - Eine philosophische Kritik der modernen Wirtschaftswissenschaften,<br />
Darmstadt, S. 188ff. Zu der Positivismusdebatte vergleiche auch die<br />
Darstellung und Erörterung bei Adorno, Th.W. [Hrsg.] (1968): Der Positivismusstreit<br />
in der deutschen Soziologie, Darmstadt u. a.<br />
132 Gorz (1998: 161).<br />
133 Vgl. hierzu Ulrich (1998: 100).<br />
62