TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Rationalitäten zueinander noch ist ihr Bereich der gesamte Bereich der Rationalitäten.<br />
Vernunft dagegen ist vornehmlich durch das „Vermögen der<br />
Selbstreflexion“ 109 gekennzeichnet. Diese Reflexion bezieht sich im Gegensatz<br />
zur Gebietsorientierung der Rationalität auf Totalität; die Vernunft<br />
122<br />
„(...) will alles in den Blick nehmen, immer noch einen Schritt weiter gehen,<br />
sie will herausfinden, wie die Dinge im letzten zusammenhängen.“ 110<br />
Abgesehen davon, dass die Vernunft selbst wohl nicht Akteur ihrer selbst ist,<br />
also auch nichts „wollen“ kann, sondern dies durch das Individuum geschieht,<br />
präsentiert sie sich in einem Zugang zu den Reflexionsobjekten, der,<br />
neben den Objekten selbst, die Zusammenhänge der Objekte zueinander<br />
thematisiert. 111 Dieses perspektivenüberschreitende Vermögen thematisiert<br />
somit auch die Möglichkeit der Konnexion von Bereichen. Vernunft ließe<br />
sich als dasjenige identifizieren, welches Heterogenität und Konnexion zusammendenkt<br />
und nicht nebeneinander. Der transversale Charakter wäre<br />
auf dieser Ebene das tatsächliche Verbinden von heterogener Verfasstheit<br />
und multipler Verflechtung. Dies bedeutet im Welsch’schen Ansatz, dass<br />
nicht nur Verflechtung von Rationalitäts-, Diskurs- oder Paradigmenversionen<br />
gedacht wird, sondern dass darüber hinaus die Pluralität dieser<br />
Teile, welche Verflechtungen eingehen, mit eben dieser Verflechtung zusammengedacht<br />
wird.<br />
Wie schon angedeutet, thematisiert die Vernunft das Verhältnis der Teile des<br />
Ganzen. Hiermit ist das Verhältnis - als prozessuale Dimension einer wie<br />
auch immer gearteten Handhabung einer wie auch immer gearteten Umwelt<br />
- mit dem pluralen <strong>St</strong>atus des Gegenstandes - als Dimension der Verfasstheit<br />
der wie auch immer gearteten <strong>St</strong>ruktur eines wie auch immer gearteten Ganzen<br />
- in Beziehung gesetzt. <strong>St</strong>atus und Prozess stehen in einer Relation des<br />
Ganzen – auch wenn dieses ‚Ganze‘ selbst nur eine Relation seinerseits darstellt.<br />
Eine wie auch immer geartete Vernunft ist in diesem Sinne die Handhabung<br />
paradoxaler Komplementaritäten, die in ihrer Differenzierung verbinden,<br />
die in ihrer Bewegung Kontinuität suchen, die in ihrer Totalität relativ<br />
und plural sind.<br />
109 Welsch (2000a: 80).<br />
110 Welsch (2000a: 87).<br />
111 Eine Kritik an der Personifizierung von Vernunft wird an späterer <strong>St</strong>elle aufgenommen.<br />
Vgl. Abschn. 9.2.3.