TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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verstehen, welche zum Ziel hat, aus den Erkenntnissen über das Verhältnis<br />
von Rationalitäten zueinander Rückschlüsse auf die Verfasstheit von Vernunft<br />
zu ziehen. Zusätzlich ist für die weitere Argumentation relevant, die<br />
Möglichkeit einer Transformation bzw. Transzendenz der ökonomischen<br />
Rationalität in eine ökonomische Form von Vernunft zu prüfen. Die Verschränkung<br />
und Unterschiedenheit von Vernunft und Rationalität stellen<br />
sich wie folgt dar. 106<br />
Nach Welsch lassen sich Vernunft und Rationalität nicht vollständig voneinander<br />
separieren. Ihre Reflexionstätigkeit ist nicht grundlegend verschieden,<br />
doch ist sie in „Ausrichtung und Funktion“ 107 zu differenzieren. Dabei<br />
scheint eine gewisse Figur der Umklammerung der Rationalität durch die<br />
Vernunft durchzuscheinen, ohne aber zu implizieren, dass die Rationalität<br />
ein Teil der Vernunft ist. Die Umklammerung kommt nämlich eher einer<br />
Klammerung gleich, die die Verhältnisse der Rationalitätstypen zueinander<br />
beschreibt und handhabt. Die Vernunft ist damit nicht Meta-Rationalität,<br />
kann also nicht hierarchisiert werden und ist in ihrem ‚Wesen‘ der ausgewogenen<br />
Ganzheitlichkeit per se nicht vergleichbar mit der Rationalität. Welsch<br />
fasst dies wie folgt zusammen:<br />
„Beider [Rationalität und Vernunft; T.B.] Unterschied kann pauschal folgendermaßen<br />
angegeben werden: es ist die Funktion von Rationalität, sich auf<br />
Gegenstände zu beziehen; die von Vernunft hingegen, sich auf Rationalität<br />
und Vernunft zu beziehen. Die Operationen der Vernunft sind Operationen<br />
zweiter, die der Rationalität solche erster <strong>St</strong>ufe. Gleichwohl bedeutet dies nur,<br />
daß Vernunft und Rationalität zu unterscheiden, nicht aber, daß sie zu trennen<br />
sind. Vernunft und Rationalität stellen im Grunde dasselbe reflexive Vermögen<br />
dar - nur in unterschiedlicher Ausrichtung und Funktion. Mit dem Ausdruck<br />
‚Rationalität‘ verweisen wir auf seine gegenstandsthematisierenden, mit dem<br />
Ausdruck ‚Vernunft‘ auf seine rationalitäts- und selbstbezogenen Leistungen.“<br />
108<br />
Somit treffen Rationalitäten Gegenstandsaussagen und konstituieren Bereiche,<br />
innerhalb derer sie ihre Kriteriensätze und Methoden entfalten. Die Gegenstandsaussagen<br />
beziehen sich dabei weder explizit auf das Verhältnis der<br />
106 Vgl. zum Folgenden Welsch (1996: 635ff.).<br />
107 Welsch (1996: 635).<br />
108 Welsch, W. (2000a): Vernunft und Übergang - das Konzept der transversalen Vernunft,<br />
in: EuS, Jg. 11, H. 1, S. 79-91, hier S. 87; Hervorhebungen im Original; Fußnoten<br />
weggelassen.<br />
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