TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Geltungsebene zu etablieren, da ihm in seiner Voraussetzung „etwas<br />
abstrakt Utopisches“ 102 innewohnt. Vielmehr vermag es dem moralischen<br />
Prinzip der Fürsorge in seiner Einseitigkeit ein Komplement zur Seite zu<br />
stellen, das eine Anbindung an die moderne Auffassung der Gleichbehandlung<br />
sucht. Die Gleichbehandlung als Prinzip kann in diesem Sinne nur aufgehen,<br />
wenn auch die Objekte der „Behandlung“ den gleichen <strong>St</strong>atus aufweisen.<br />
Jenseits der Habermasschen Gleichberechtigung in der kommunikativen<br />
Gemeinschaft ist eine relationale Form der Gleichbehandlung ein Ansatz,<br />
der der postmodernen Pluralität im Ansatz Rechnung zu tragen versucht.<br />
Die einheitlichen Vorstellungen der Moderne verlassend, entwickelt<br />
sich somit eine Handhabungsform, die zwar dem Gerechtigkeitscharakter<br />
der Gleichbehandlung folgt, dies jedoch von einer der Moderne differenten<br />
Rezeption des Gegenüber entwickelt. Sofern von einer aktiven Rezeption des<br />
Gegenüber in der Moderne aus postmoderner Sicht überhaupt gesprochen<br />
werden kann, ist die Pluralitäts- und Heterogenitätserfahrung für die Redefinition<br />
des Gleichheitsgrundsatzes konstitutiv. Während die Moderne eher<br />
dem Grundsatz gefolgt ist, dass einem jeden von uns die gleiche Behandlung<br />
zusteht, obgleich wir mit unterschiedlichen Ausstattungen und Profilen auftreten,<br />
so wäre die postmoderne Rekonstruktion eine Befürwortung der<br />
Gleichbehandlung, gerade weil wir unterschiedlich sind. Diese Differenz<br />
ließe sich als aktive oder bewusste Toleranz bezeichnen, wohingegen die<br />
Moderne eher von einer geduldeten Toleranz getragen war. Die Duldung<br />
(bzw. die Nicht-Duldung!) geschah aus der rationalen Vernunft heraus, aus<br />
der Einheitsorientierung, in der das Einzelne dem Gesamtziel untergeordnet<br />
war - ihr fehlte das okkasionell-affektive Moment. 103 Die ethisch-postmoderne<br />
Wende läge in der Transformation der rationalen Vernunft in die<br />
innere Überzeugung einer ethischen Norm.<br />
102 Honneth (2000a: 169).<br />
103 Vgl. zu diesem Moment insbesondere Spinner, H.F. (1982): Ist der kritische Rationalismus<br />
am Ende?: Auf der Suche nach den verlorenen Maßstäben des Kritischen Rationalismus<br />
für eine offene Sozialphilosophie und kritische Sozialwissenschaft, Weinheim/Basel,<br />
S. 86ff., Spinner (1994) und Lyotard, J.-F. (1998): Postmoderne Moralitäten,<br />
Wien. Habermas kritisiert das affektive Moment, sofern es emotiv-affektive Dimension<br />
annimmt. Es besteht die Gefahr eines affektgestützten Partikularismus, der die<br />
Grundlage der Wahrheitssuche, die Suche nach den Gründen verzerren könnte. Vgl.<br />
hierzu Habermas, J. (1991): Erläuterungen zur Diskursethik, Frankfurt, S. 58ff.<br />
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