TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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ungsschrittes identifiziert. Wäre das Paradigma exemplarisch zu verstehen,<br />
so implizierte dieser Pluralisierungsschritt gleichzeitig einen kategorialen<br />
Schritt. Die Qualität einer Rationalität wäre mit einer exemplarisch verstandenen<br />
Paradigmen-Konstruktion nicht vergleichbar, weil Letzterer die Reichweite<br />
eines situationsunabhängigen Handlungs- und Denkmusters fehlt.<br />
Demnach könnte aufgrund dieser kategorialen Asymmetrie nicht von einem<br />
zweiten Pluralisierungsschritt gesprochen werden, sondern es läge eine<br />
interne Differenzierung der Rationalität vor. Welsch baut aber grundsätzlich<br />
den Paradigmenbegriff in der Weise auf, dass eine Pluralisierung des Rationalitätsbereichs<br />
erfolgt, welche von diesem Bereich eben nicht definitorisch<br />
vereinnahmt wird, sondern über diesen hinausgeht. Es entstehen Paradigmen-Verknüpfungen<br />
beinahe unabhängig von den Grenzen der jeweilig<br />
betroffenen Rationalitäten. Die Paradigmen sind bei Welsch mehr noch als<br />
die Rationalitäten Gegenstände des Interesses. Sie sind die eigentlichen<br />
transversalen Aktionsparameter; von ihnen gehen die transversalen Prozesse<br />
aus. Als elementarer Bestandteil von Transversalität können sie nicht situationsspezifisch<br />
bedingt sein, da sie überdauernd zu einer wie auch immer<br />
gearteten Konzeption von Vernunft beitragen. Diese Konzeption hat eben<br />
nicht diese situationsspezifische Charakteristik, wie es relational-konstruktivistisch<br />
denkbar wäre, sondern sie zeichnet sich durch ihre Unabhängigkeit<br />
aus. Welsch schlägt in Abgrenzung zu der Kuhnschen Konzeption folgendes<br />
vor: 142<br />
Nebeneinander von unterschiedlichen Paradigmen: Die diachrone Perspektive<br />
von Kuhn in Bezug auf die existenzielle Charakteristik von Paradigmen ist<br />
aufgrund heutiger Erkenntnis durch eine synchrone zu ersetzen, zumindest<br />
doch zu ergänzen. Das heißt, Paradigmen folgen nicht notwendigerweise<br />
aufeinander, sondern sind auch parallel existent, auch in ein und derselben<br />
Rationalität. Dabei ist nicht nur eine zeitliche Überschneidung aufeinanderfolgender<br />
Paradigmen angesprochen, sondern eine wirkliche Koexistenz<br />
gemeint. Diese Koexistenz impliziert eine Vergleichbarkeit von existenten<br />
Paradigmen, welche per definitionem vergleichbar sind, aber insbesondere<br />
in ihrer rational-strukturellen Dimension als parallel existent zu interpretieren<br />
sind. Dies bedeutet, dass nicht nur per Zufall exemplarische Paradigmen<br />
gleichzeitig in unterschiedlichen Situationen zur Anwendung gelangen,<br />
sondern, und das unterstreicht einmal mehr die Gewichtung der ratio-<br />
142 Vgl. zum Folgenden Welsch (1996: 542ff.).<br />
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