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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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und der Aufbau einer zusammenhängenden Lebenserzählung – zentraler<br />

Baustein einer Identitätskonstituierung – zunehmend schwieriger. Das bedeutet,<br />

dass zu der Fraktale innerhalb der Arbeit - und dem damit einhergehenden<br />

Sinnverlust - eine Fraktale außerhalb der Arbeit bzw. zwischen<br />

Lebens- und Arbeitswelt entsteht, die lebensweltliche und soziale Mechanismen<br />

unterläuft und von innen aushöhlt.<br />

Zum anderen tritt zu diesem Befund die Perspektive der technologischen<br />

Ermöglichung von Informationsvermittlung und Kommunikation. Dieser<br />

technologische Fortschritt revolutioniert vor allem die Arbeitswelt in ihren<br />

Möglichkeiten der Datenübermittlung, aber auch darüber hinaus. Voß verdeutlicht<br />

in seiner <strong>St</strong>udie, dass die Grenzen von Leben und Arbeit erodieren.<br />

Auch wenn diese Erosion nicht unbedingt durch die räumliche Nähe von<br />

Leben und Arbeit erzeugt wird, wie dies noch in der vorindustriellen<br />

Arbeitswelt der Fall war, so kann die räumliche Distanz einfacher und<br />

direkter überwunden werden. 5 Darüber hinaus erhöhen sich die Möglichkeiten,<br />

auch zeitlich Grenzen zu überschreiten, ganz gleich, ob dies die globale<br />

„rund-um-die-Uhr-Produktion“ ist oder im individuellen Kontext der<br />

geschäftliche Anruf am Wochenende bei der Bergwanderung mit der Familie.<br />

Zeitliche und räumliche Relativierung bedeutet für die Ebene der unterschiedlichen<br />

Rationalitäten von System und Lebenswelt eine Durchlässigkeit,<br />

die vermehrt zu Überlagerungen führt. In den skizzierten Beobachtungen<br />

5 Wie bereits angedeutet wurde, ist ein Vergleich mit früheren Konstellationen von<br />

Arbeit und Leben aufschlussreich, jedoch nach der hier vertretenen Auffassung nur<br />

eingeschränkt aussagekräftig. Man mag bezüglich der Identitätserosion einwenden,<br />

dass gerade die vielfältige und wechselnde Herausforderung zu einer wiederholten<br />

Prüfung und Selbstreflexion und damit <strong>St</strong>abilisierung der Identität führen kann. Dergleichen<br />

ließe sich über den Vergleich von vorindustriellen und jetzigen, nachindustriellen<br />

Arbeits- und Lebensformen sagen: Die Erosion von Grenzen führt den Einzelnen<br />

in die Bedingungen zurück, mit denen seine Vorfahren zum Ende des 19. Jahrhunderts<br />

konfrontiert waren. Vgl. dazu Abschn. 1.1. Hierbei ist jedoch selten das gesamte<br />

Set der Situationsbedingungen in Betracht gezogen worden, sondern jeweils<br />

nur einzelne Aspekte. Wie aber auch die hier skizzierte Konstellation von Globalisierung<br />

und Technologie aufzuzeigen versucht, ist die aktuelle Situation vor allem durch<br />

die Komplexität der Herausforderungen gekennzeichnet, die durch das Wechselspiel<br />

von unterschiedlichen Parametern erzeugt wird. Gerade dieses reziproke Beeinflussungsverhältnis<br />

ist es, welches die jetzige Situation von den Situationen früherer Tage<br />

grundlegend unterscheidet und aus diesem Grunde nur eine beschränkte Vergleichbarkeit<br />

ermöglicht. Die vermutete Überforderung des Individuums in der Postmoderne<br />

gründet sich vornehmlich auf diese Beobachtung der unübersichtlichen Pluralität<br />

und Dynamik.<br />

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