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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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11 Postmoderne Ethik 70 - der Übergang zum Anderen<br />

Bis vor kurzem war es noch undenkbar, Postmoderne und Ethik auch nur in<br />

einem Atemzug zu nennen. Es deuten sich in der jüngsten wissenschaftlichen<br />

Diskussion Auflösungserscheinungen dieses klassischen Antagonismus<br />

an. 71 Diese Entwicklung manifestiert sich vor allem in zwei zentralen<br />

Merkmalen:<br />

Zum einen ist das, was sich momentan als Postmoderne präsentiert, nicht<br />

mit dem zu vergleichen, was Postmoderne seit den 60er Jahren als Antipode<br />

zur Moderne beschrieb. Als dialektisch-historischer Entwicklungsbefund<br />

zeichnete sich die Postmoderne vor allem in ihrem Abgrenzungscharakter<br />

zur Moderne aus. Als Gegenpol war sie in ihren Anfängen zu verstehen, zu<br />

einem komplementären Pol hat sie sich entwickelt.<br />

Zum anderen hat sich innerhalb dieser Entwicklung inhaltlicher Redefinition<br />

von Postmoderne ein intersubjektivitätstheoretischer Ansatz herauskristallisiert,<br />

der über die ursprüngliche Metaphysikkritik hinausgeht. Auf der<br />

Suche nach dem Nicht-Berücksichtigten, dem Ignorierten von pluralen<br />

Phänomenen treten scheinbar unwillkürlich Subjekte und ganze soziale<br />

Gruppen – zudem latent normativ - in den Gesichtskreis der Moderne-Postmoderne-Debatte.<br />

Es ließe sich von einer „normativen Subjektivierung“ der<br />

beinahe schon zwanghaften postmodernen Indifferenz bezüglich politischethischer<br />

Aspekte sprechen. 72<br />

70 Der Begriff „Postmodern“ wird im Spannungsfeld zur Moderne rekonstruiert, so wie<br />

es in der Argumentation entwickelt wurde. „Postmoderne“ bedeutet damit immer<br />

eine postmoderne Moderne. Der Einfachheit halber und um den programmatischen<br />

Charakter der Postmoderne auch in der postmodernen Moderne zu betonen, wird im<br />

Folgenden oft nur von „Postmoderne“ gesprochen. Wenn damit die „reine“ Postmoderne<br />

gemeint ist, dann wird dies explizit durch einen Zusatz wie „radikal“ o. ä.<br />

kenntlich gemacht. Einige der zitierten Autoren verwenden diesen Term vielfach<br />

synonym zu einer postmodernen Moderne.<br />

71 Vgl. dazu die jüngere Literatur wie z. B. Bernstein (1991), Critchley, S. (1992): The<br />

Ethics of Deconstruction. Derrida and Lévinas, Oxford; White, S.K. (1991): Political<br />

Theory and Postmodernism, Cambridge; Benjamin, A. [Hrsg.] (1992): Judging Lyotard,<br />

London/New York, zitiert nach Honneth (2000a: 133).<br />

72 Historisch ist dieser extrem deskriptive Zugang der Postmoderne als Antwort auf den<br />

„zwanghaften Universalismus der Moderne“ (Honneth 2000a: 133) und der damit<br />

verbundenen metaphysischen Normativität zu interpretieren. Wie bereits angedeutet,<br />

eliminiert sich im Zuge der Integration von Moderne in die Postmoderne bzw. vice<br />

versa der extreme programmatische Charakter der Postmoderne von selbst und entwickelt<br />

sich zu einer gemäßigteren Position.<br />

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