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TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen

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zurückzuführen ist, sind die Möglichkeiten und moralischen Ansprüche zu<br />

klären. 125<br />

„Dieser Bereich ist geheim, weil er abgetrennt ist. Das Recht auf die zweite<br />

Existenz ist das Recht, abgetrennt zu bleiben, nicht exponiert zu werden, nicht<br />

auf andere antworten zu müssen. Früher hat man gesagt: sein Für-sich-sein zu<br />

bewahren. (Aber dieses sich, man weiß nicht so recht was das ist. Sein Füretwas-sein.)<br />

Dieses Recht muß jedem zuerkannt und von jedem respektiert<br />

werden.“ 126<br />

Es wird auch bei Lyotard deutlich, dass für ihn dieses Getrennt-sein ein<br />

Recht darstellt, welches auch von anderen zu respektieren ist, jedoch auch,<br />

dass es verwirkt, wenn sich der Einzelne darum nicht bemüht.<br />

Die Entgrenzung im Sinne des Menschen und damit im Sinne einer Lebensdienlichkeit<br />

zu gestalten, fordert Verantwortungsübernahme auf beiden Seiten<br />

der Grenze. 127 Ab dem Zeitpunkt, wo sich die versachlichten Zusammen-<br />

125 Die Diskussion um das persönliche Vermögen, um die Kompetenz, wird an dieser<br />

<strong>St</strong>elle nicht explizit geführt, denn sie liegt der gesamten Argumentation zugrunde.<br />

Aufgrund der fortgeschrittenen Kolonialisierung der Lebenswelt ist die „Kultur“ für<br />

die Einsicht in die Notwendigkeit zu Entschleunigung verlorengegangen. Diese Einsicht<br />

wiederzuerlangen, kann nicht allein durch die Veränderungen der Bedingungen<br />

erreicht werden, sondern auch der Einzelne ist aufgefordert, sich zu sensibilisieren.<br />

Lyotard drückt dies so aus: „Wenn der Mensch nicht den unmenschlichen Bereich<br />

schützt, in dem er sich mit diesem oder jenem trifft, das sich der Ausübung der<br />

Rechte völlig entzieht, verdient er die Rechte nicht, die man ihm zuerkennt. (...) Man<br />

muß der „zweiten Existenz“ ihr absolutes Recht zubilligen, da sie den Rechten das<br />

Recht gibt. Und so wie sie sich den Rechten entzieht, muß sie sich immer mit einer<br />

Amnestie zufriedengeben.“ (Lyotard 1998: 112).<br />

126 Lyotard (1998: 108; Hervorhebungen im Original).<br />

127 Der Begriff der „Lebensdienlichkeit“ wird von Peter Ulrich in umfassender Weise<br />

aufgenommen. Der Begriff geht auf Rich zurück, welcher ihn von Brunner übernommen<br />

hat. Die „Idee“ der Lebensdienlichkeit stellt die Sinn- und die Legitimationsfrage.<br />

Der Sinn des Wirtschaftens differenziert sich in Fragen wie „Was für Werte sind<br />

zu schaffen?“, „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ und „Ist unser Wirtschaften uns<br />

selbst zuträglich?“; die Legitimationsfrage spaltet sich auf in Fragen wie „Für wen<br />

sind Werte zu schaffen?“, „Wie sollen wir gerecht zusammenleben“ und „Ist die<br />

soziale Organisation unserer Wirtschaft allen zumutbar?“ (Ulrich, P./Maak, Th.<br />

(2000b): Lebensdienliches Wirtschaften in einer Gesellschaft freier Bürger – Eine Perspektive<br />

für das 21. Jahrhundert, in: dies. (2000a), S. 11-34, hier S. 12; Hervorhebungen<br />

weggelassen). Siehe auch ausführlicher Ulrich (1998: 203ff.). Diese „Idee“ der Lebensdienlichkeit<br />

wird in der gesamten Argumentation als orientierender Bezugsrahmen<br />

implizit thematisiert und diskutiert werden. Vgl. Rich, A. (1990): Wirtschaftsethik, Bd.<br />

II: Marktwirtschaft, Planwirtschaft, Weltwirtschaft aus sozialethischer Sicht, Gütersloh;<br />

Brunner, E. (1978): Das Gebot und die Ordnungen. Entwurf einer protestantischtheologischen<br />

Ethik (1932), 4. Aufl., Zürich.<br />

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