TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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den werden muss, ist die transversale Vernunft eine zentral subjektabhängige<br />
Größe, die eine Fähigkeit „sich inmitten einer Vielfältigkeit in Übergängen<br />
bewegen zu können“ 162 zum Ausdruck bringt.<br />
Wie an späterer <strong>St</strong>elle noch näher auszuführen sein wird, schließen sich an<br />
diese individualistische Perspektive von Vernunft Implikationen, wie auch<br />
Fragen an. So legt Welsch dar, dass<br />
� Vernunft nicht bestimmten Rationalitäten zugeschrieben werden kann, so<br />
wie Rationalitäten weit verbreitet in „Institutionen, Diskursarten und gesellschaftlichen<br />
Praktiken“ 163 verortet werden.<br />
� als Konsequenz aus dem individualistischen Ansatz man besser von Vernünftigkeit<br />
anstatt von Vernunft sprechen sollte, da Vernünftigkeit „eine<br />
Weise des Umgangs von Subjekten mit den Formen der Rationalität“ 164 beschreibt<br />
und dieses begründet mit der Aussage: „Vernünftigkeit lässt sich<br />
letztlich nicht objektiv implementieren, sondern nur subjektiv praktizie-<br />
ren“ 165.<br />
� diese Konzeption an die Kantische anschlussfähig bleibt, da auch dieser<br />
die Anwendung der Vernunft durch Subjekte betont, aus welcher heraus ein<br />
weiter Wirkungskreis erreicht werden kann.<br />
� in dieser spezifischen Koppelung von Vernunft und Subjektivität das charakteristische<br />
Freiheitspotential von Vernunft-Anwendung konstituiert ist,<br />
auf das auch Kant hinweist.<br />
Die zentrale Implikation scheint zu sein, dass durch diese Konzeptionierung<br />
von Vernunft nicht ihrer Exklusivität, sondern ihrer Inklusivität das Wort<br />
geredet wird. Denn im Gegensatz zu einer objektiven oder subjektunabhängigen<br />
Konzeption der Vernunft, welche das Individuum gegenüberliegend<br />
zu sich selbst positioniert, somit eine Partizipation des Subjekts an Vernunft<br />
nur mittelbar möglich ist, da sich das System durch Exklusion etabliert, so<br />
transportiert die Welsch’sche Konzeption eher eine Aufforderung zur Teilnahme,<br />
einen Inklusionscharakter. 166 Die Ermutigung fügt sich harmonisch<br />
in den Gedanken der Befreiung ein, der bei Kant entwickelt wurde. Die<br />
Welsch‘sche „Befreiung“ bezieht sich nicht auf den naturellen empirischen<br />
Zwang und die Emanzipation des Subjekts hiervon durch Vernunft, sondern<br />
162 Welsch (1996: 934).<br />
163 Ebenda.<br />
164 Welsch (1996: 934f.).<br />
165 Welsch (1996: 935).<br />
166 Vgl. insbesondere hierzu Welsch (1996: 938ff.).<br />
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