TRANSVERSALE WIRTSCHAFTSETHIK - Universität St.Gallen
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Errungenschaften könnten nicht mehr in vollem Umfang wirksam sein. 5 Es<br />
wird auch hier offensichtlich, dass die gesellschaftlichen Errungenschaften<br />
und der Beitrag der Ökonomie hierzu stark unterschiedlich zu der hier entwickelten<br />
Reflexion interpretiert werden. 6<br />
Somit kann festgehalten werden: Die wirtschaftsethischen Ansätze, die den<br />
systematischen Ort der Moral in der Rahmenordnung lokalisieren, müssen<br />
sich nach Meinung des Verfassers den Vorwurf gefallen lassen, den Rahmen<br />
auf der einen Seite zu überfordern und das Individuum auf der anderen<br />
Seite zu unterfordern, nämlich als „potentiellen Defektierer“. Eine wirkliche<br />
Anwendungsorientierung der Wirtschaftsethik kommt nicht umhin, beide<br />
Seiten in ihren produktiven Dimensionen zu erkennen und zu unterstützen.<br />
Während die „individualorientierte“ Wirtschaftsethik den Rahmen in die<br />
Betrachtung zu integrieren sucht, tut sie dies jedoch vornehmlich als zusätzliches<br />
Mittel, die diejenigen Kriterien institutionell zu verankern sucht, die<br />
durch den Einzelnen diskursiv mitentwickelt wurden. Der Rahmen ist Mittel<br />
zum Zweck im Sinne des und der Menschen. Dagegen scheint die<br />
„rahmenorientierte“ Wirtschaftsethik diesen Zweck aus dem Blick zu verlieren<br />
und den Rahmen als Selbstzweck etablieren zu wollen, aus dessen Perspektive<br />
der Einzelne als „Mängelwesen“ erscheint. Zumindest verliert dieser<br />
überwiegend seine produktive, aktive Rolle, wenn es um moralische<br />
Handlungen geht.<br />
Bezieht man dies auf die Frage der Weiterentwicklung ökonomischer Rationalität,<br />
so ergibt sich folgendes Bild: In dieser Sicht des Einzelnen und des<br />
5 Vgl. Homann/Blome-Drees (1992: 13).<br />
6 Die jüngsten Veröffentlichungen bzw. Äußerungen Homanns verstärken den Ansatz<br />
dahingehend, dass die Ethik und das Paradigma der Ökonomik immanent miteinander<br />
verbunden werden. Dieses Paradigma ist methodisch im Wesentlichen durch das<br />
„Gefangenen-Dilemma“ bestimmt. In dieser ökonomistischen Methode sieht Homann<br />
nicht in der ökonomischen Sache, so doch in der ökonomischen Methode die Ethik als<br />
der Ökonomik immanent; in diesem Sinne kann der weitere ökonomische Vollzug,<br />
die positive Ökonomik, frei sein von Werten und Normen, denn die sind bereits im<br />
Paradigma der Ökonomik abgebildet und liegen jeglicher Wirtschaftstätigkeit zugrunde.<br />
Dies könnte man als „integrativ“ bezeichnen, steht aber in seiner Begründungsargumentation<br />
der Ulrichschen Integration diametral und kategorial entgegen.<br />
Vgl. hierzu Homann, K. (1997): Sinn und Grenze der ökonomischen Methode in der<br />
Wirtschaftsethik, in: Aufderheide, D./Dabrowski, M. (Hrsg.), Wirtschaftsethik und<br />
Moralökonomik. Normen, soziale Ordnung und der Beitrag der Ökonomik, Berlin, S.<br />
11-42 und Abschn. 10.2.2. Außerdem bezieht sich dieser letzte Abschnitt auf einen<br />
unveröffentlichten Vortrag „Ökonomik: Fortsetzung der Ethik mit anderen Mitteln“,<br />
gehalten in Freiburg am 21. Juni 2001.<br />
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